86 Biografien
Hier erfahren Sie Genaueres über die 86 jüdischen Frauen und Männer, die im August 1943 in der Gaskammer des KZ Natzweiler-Struthof ermordet wurden. Sie kamen aus Norwegen, Polen, Griechenland, Deutschland, Frankreich, Belgien und den Niederlanden. Nicht selten waren sie schon längere Zeit auf der Flucht vor den Nazi-Verfolgern, ehe sie nach Auschwitz deportiert und von dort in das im Elsass gelegene Konzentrationslager gebracht wurden.
Von einigen dieser 86 Personen konnte ich bisher leider noch wenig in Erfahrung bringen. Aber ich recherchiere weiter. Darum freue ich mich über jede zusätzliche Information. Wenn Sie mir in dieser Hinsicht weiterhelfen können, bitte ich um Mitteilung unter Kontakt.
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David Akouni · Bella Alaluf · Israel Albert · Elvira Amar · Emma Amar · Palomba Arnades · Aron Aron · Nety Aruch · Martin Ascher · Esra Asser · Allegra Attas
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David Akouni
David Akouni wurde 1895 als Sohn von Isaac und Ester Akouni in Thessaloniki geboren. Die multi-ethnische Hafenstadt gehörte damals noch zum Osmanischen Reich und hatte rund 115 000 Einwohner. Stärkste Bevölkerungsgruppe waren die Juden, ihr Anteil betrug etwa 47 Prozent. Thessaloniki, auch als "Jerusalem des Ostens bezeichnet", gehörte zu den wichtigsten jüdischen Städten der Welt, um die Jahrhundertwende zählte die jüdische Gemeinschaft in der aufblühenden Stadt etwa 80 000 Personen.
David Akouni erlebte in seiner Heimatstadt politisch turbulente Zeiten. Die Kriege der Balkanstaaten Montenegro, Bulgarien, Serbien und Griechenland gegen das Osmanische Reich (1912) und schließlich gegeneinander (1913) hinterließen in der Stadt deutliche Spuren. Thessaloniki, das am 26. Oktober 1912 zu einer griechischen Stadt geworden war, veränderte im Zuge der nachfolgenden nationalen und internationalen Auseinandersetzungen sein Gesicht tiefgehend, zumal die griechische Regierung nach einer Brandkatastrophe im August 1917 den Wiederaufbau nutzte, die Stadt zu hellenisieren.
Ansichtskarte, Unterschrift: Guerre 1914-1914-1916 EN ORIENT / SALONIQUE - Le quai
Infolge der „Bevölkerungsaustausch“ genannten Zwangsumsiedlungen von Türken und Griechen (etwa 500.000 Muslime aus Nordgriechenland in die Türkei, 1,2 Millionen griechische Orthodoxe aus Kleinasien nach Nordgriechenland) kippte die alte demographische und soziale Zusammensetzung der Stadt. Die Juden wurden in Thessaloniki bald zur Minderheit.
Vermutlich Anfang/Mitte der 1920er Jahre heiratete David Akouni Dudun Azi. Aus der Ehe gingen vier Kinder hervor: Isaac (* 1926), die Zwillinge Martha und Nathan (* 1933) sowie Dolsa. Die Familie lebte im Stadtteil Synikismos 151, wo David Akouni eine Taverne betrieb. Akouni war ein 1,74 Meter großer Mann mit kräftigem Körperbau. Er hatte dunkelbraune und an den Schläfen leicht ergraute Haare, dicke Augenbrauen.
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Im April 1941 besetzten deutsche Truppen Griechenland. Anfang 1943 trafen Mitarbeiter Adolf Eichmanns in Thessaloniki ein und bereiteten die Deportationen der örtlichen Juden vor. Sie mussten in eines der Ghettos umziehen. Das nahe am Bahnhof gelegene Baron-Hirsch-Ghetto diente als Durchgangslager für die am 16. März 1943 einsetzenden Transporte nach Auschwitz.
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Der Zug, in dem David Akouni und seiner Familie deportiert wurden, startete am 28. April 1943 mit insgesamt 2930 jüdischen Männern, Frauen und Kindern. 220 Männer und 318 Frauen wurden nach der Ankunft am 4. Mai 1943 ins Lager eingewiesen, auch David Akouni. Die übrigen 2392 Personen wurden sofort in die Gaskammer getrieben und umgebracht, darunter auch Akounis Frau und seine vier Kinder. Die Lager-SS ließ dem Ankömmling David Akouni die Nummer 119801 auf den linken Unterarm tätowieren.
David Akouni wurde, wie noch weitere Kameraden aus seinem Transport, von den beiden SS-Anthropologen Bruno Beger und Hans Fleischhacker selektiert und anthropologisch untersucht. Dazu gehörten Israel Albert, Aron Aron, Esra Asser, Aron Esformes, Aron Eskaloni, Maurice Francese, Charles Hassan, Albert Isaak, Sabetaij Kapon, Lasas Menache, Dario Nathan, Israel Rafael, Samuel Rafael, Albert Saltiel, Maurice Saltiel, Maurice Saporta und Mordochai Saul. Sie alle hielten sich zu diesem Zeitpunkt im Krankenrevier von Auschwitz I auf, dem sogenannten Stammlager.
Als einer von 86 selektierten Frauen und Männern wurde David Akouni am 30. Juli 1943 mit dem Zug auf einen weiteren Transport geschickt. Sie kamen am 2. August 1943 im KZ Natzweiler-Struthof an. Dort wurde der 48-Jährige am 16. August 1943 in der Gaskammer ermordet.
Von David Akuni haben drei Geschwister überlebt: die beiden Brüder Samuel und Solomon und die Schwester Dora.
Die Angaben zu David Akounis äußeren Erscheinung sind dem Obduktionsbericht französischer Gerichtsmediziner vom Juni 1945 entnommen. Hinweise zu seiner Biographie verdanke ich dem Archiv der Jüdischen Gemeinde in Thessaloniki. Dort war mir Archivarin Aliki Arouh bei der Recherche behilflich.
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Bella Alaluf
Bella Alaluf wurde 1923 in Thessaloniki geboren. Es war ein Jahr, in dem die nordgriechische Hafenstadt große Umbrüche erlebte. Aufgrund des so genannten Bevölkerungsaustauschs zwischen Griechenland und der Türkei, kam eine große Anzahl von griechischen Flüchtlingen aus Kleinasien nach Nordgriechenland und dort insbesondere nach Thessaloniki. Die jüdische Gemeinde, die damals rund 60.000 Personen zählte, verlor dadurch stark an Bedeutung im Gesamtgefüge der Stadt.
Thessaloniki
Die Eltern von Bella Alaluf waren Avraam (1876 – 1941) und Djamila Sason (1898 – 1943). Die sechsköpfige Familie Alaluf lebte im Baron-Hirsch-Viertel von Thessaloniki. Gleich mit dem ersten Transport und vermutlich zusammen mit ihrer verwitweten Mutter und ihren drei Geschwistern wurde Bella Alaluf am 15. März 1943 in einem Zug nach Auschwitz deportiert, der rund 2800 jüdische Frauen, Männer und Kinder mit sich führte. Bei der Ankunft wurden die Alalufs an der Rampe getrennt. Die Mutter Alaluf, ihren elfjährigen Sohn Pepo und ihr siebenjähriges Töchterchen Riketa schickte die SS sofort ins Gas – zusammen mit weiteren 2189 Personen. Die beiden Töchter Vidal Hayim (* 1924) und Bella (sowie weitere 190 griechische Frauen und 417 griechische Männer) wurden ins Lager eingewiesen. Von den beiden Alaluf-Schwestern überlebte nur Vidal Hayim den Holocaust. Nach Aufenthalt in einem Lager für Displaced Persons in Landsberg emigrierte sie nach Israel.
Zusammen mit Flora Biwas, Dora Cohen, Juli Cohen, Ester Eskenasy, Bienvenida Pitchon und Sara Vahena, die mit dem selben Transportzug aus Thessaloniki ankamen, wurde Bella Alaluf in den Block 10 im Stammlager eingewiesen. Hier ließ ihr die Lagerverwaltung die Nummer 38790 auf den linken Unterarm tätowieren. Ob sie in irgendeiner Weise dem Versuchsbetrieb ausgeliefert war, lässt sich nicht belegen. In der zweiten Juni-Woche 1943 wurde die ledige Zwanzigjährige von den beiden SS-Anthropologen Bruno Beger und Hans Fleischhacker ausgewählt, um mit weiteren Jüdinnen und Juden anthropologisch vermessen zu werden. [siehe: Anthropologen in Auschwitz]
Als eine von 86 Frauen und Männern kam Bella Alaluf – am 30. Juli 1943 auf Transport geschickt – am 2. August 1943 im KZ Natzweiler-Struthof an. Dort wurde die 20-Jährige am 11. August 1943 in der Gaskammer ermordet.
Flora Biwas (* 2. Mai 1925), Dora Cohen, Bienvenida Pitchon (* 1. Juli 1917) und Sara Vahena geb. Weinstein (* 1917) haben die Shoah überlebt. Hinweise zur Biographie von Bella Alaluf verdanke ich dem Archiv der Jüdischen Gemeinde in Thessaloniki. Dort war mir Archivarin Aliki Arouh bei der Recherche behilflich.
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Israel Albert
Geboren wurde Israel Albert vermutlich in Thessaloniki (Griechenland), sein Geburtsdatum ist nicht bekannt. Nach seiner Internierung durch die Gestapo im Ghetto Baron Hirsch in Thessaloniki wurde er am 28. April 1943 nach Auschwitz deportiert.
Am 4. Mai 1943 kamen mit diesem Transport 2930 jüdische Frauen, Männer und Kinder dort an. An der Rampe wurden 220 Männer und 318 Frauen als Häftlinge ins Lager geschickt - darunter Israel Albert, dem die SS die Nummer 119868 auf den linken Unterarm tätowieren ließ. Die übrigen 2392 Personen wurden sofort in die Gaskammer getrieben und umgebracht.
Am 30. Juli 1943 wurde Israel Albert nach seiner Selektion durch zwei Anthropologen zusammen mit weiteren 85 Jüdinnen und Juden ins KZ Natzweiler-Struthof gebracht. Dort wurde er am 16. August 1943 in der Gaskammer ermordet - genau wie seine 85 Leidensgenossinnen und Leidensgenossen.
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Elvira Amar
Seit etwas mehr als zwei Jahren gehörte Thessaloniki zu Griechenland, als Elvira Amar 1915 dort geboren wurde. Ihre Eltern waren Sharia Issakhar und Doka Amar.
Im April 1941 besetzten deutsche Truppen Griechenland. Anfang 1943 trafen Eichmann-Mitarbeiter in Thessaloniki ein und bereiteten die Deportationen der örtlichen Juden ein. Sie mussten in eines der Ghettos umziehen. Das nahe am Bahnhof gelegene Baron-Hirsch-Ghetto diente als Durchgangslager für die am 16. März 1943 einsetzenden Transporte nach Auschwitz.
Nach ihrer Internierung durch die Gestapo im Baron-Hirsch-Viertel wurde Elvira Amar am 12. April 1943 nach Auschwitz deportiert. Sie ist dort fünf Tage später angekommen. Dieser 9. Transportzug von Thessaloniki nach Auschwitz führte rund 3000 jüdische Frauen, Männer und Kinder mit. Von der Rampe weg schickten die selektierenden SS-Ärzte 2271 Erwachsene und Kinder in der Gaskammer. 467 Männer und 262 Frauen kamen ins Lager. Aus diesen Frauen wählte SS-Standortarzt Eduard Wirths 99 Frauen aus, die er in den Block 10 schickte, eine Station für Menschenversuche. Zu den griechischen Frauen, die aus diesem Transport dort eingewiesen wurden, gehörten neben Elvira Amar noch Hanna Ajasch, Oro Amar, Sylvia Amar, Palomba Arnades, Nety Aruch, Allegre Beracha, Nina Knesits, Aliza Sarfati.
Die Lagerverwaltung ließen der 28-Jährigen die Nummer 41547 auf den linken Unterarm tätowieren. Ob sie in irgendeiner Weise dem Versuchsbetrieb ausgeliefert war, lässt sich nicht belegen. In der zweiten Juni-Woche 1943 wurde sie schließlich von den beiden SS-Anthropologen Bruno Beger und Hans Fleischhacker ausgewählt, um mit Palomba Arnades, Nety Aruch, Allegre Beracha aus ihrem Transport sowie weiteren 82 Jüdinnen und Juden anthropologisch untersucht zu werden. [siehe:…]
Als eine von 86 Frauen und Männern kam Elvira Amar – am 30. Juli 1943 per Zug auf Transport geschickt – am 2. August 1943 im KZ Natzweiler-Struthof an. Dort wurde die 28-Jährige am 11. August 1943 in der Gaskammer ermordet.
Hanna Ajasch geb. Alchades (* 23. April 1922), Sylvia Amar, Nina Knesits (* 2. April 1923) und Aliza Sarfati haben die Shoah überlebt.
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Emma Amar
Emma Amar ist am 4. Juni 1925 in Thessaloniki geboren worden. Ihre Eltern waren der Gastwirt Isaak (1880 - 1943) und Buena geb. Pardo (*1900-1943). Emma, die Jüngste in der Familie, hatte drei Schwestern: Evangelia (* 1915), Margo (*1919) und Rita (* 1922).
Überlebt hat nur Evangelia Amar, die einen griechisch-orthodoxen Kaufmann mit dem Familiennamen Taptopoulou geheiratet hat und in einem Versteck der weiteren Verfolgung entging. Alle übrigen engeren Familienmitglieder wurden vermutlich im selben Transport wie Emma nach Auschwitz deportiert. Dort trafen sie am 28. April 1943 nach sechs quälenden Tagen Zugfahrt im Viehwaggon ein. Es war bereits der 13. Transport aus Thessaloniki. Er brachte rund 3070 jüdische Männer, Frauen und Kinder in das Todeslager. Davon ließ die SS im Lager 2529 Personen sofort in der Gaskammer ermorden, darunter Isaak und Buena Amar. Ob auch Margo und Rita schon zu diesem Zeitpunkt ums Leben kamen oder erst später, ist nicht bekannt.
Emma Amar wurde mit 180 Männern und 361 Frauen in Auschwitz ins sogenannte Stammlager bzw. in Auschwitz I eingewiesen. Dieses Lager war zu diesem Zeitpunkt ausschließlich von Männern belegt – mit Ausnahme von Block 10. Zusammen mit Sarina Nissim, die mit demselben Transport in Auschwitz angekommen war, kam sie in den Block 10. Hier ließ ihr die Lagerverwaltung die Nummer 43167 auf den linken Unterarm tätowieren. Block 10 war ein Ort, in dem Nazi-Ärzte an jüdischen Frauen medizinische Versuche vornahmen. Ob auch Emma Amar in irgendeiner Weise dem Versuchsbetrieb ausgeliefert wurde, lässt sich nicht belegen. In der zweiten Juni-Woche 1943 wurde Emma von den beiden SS-Anthropologen Bruno Beger und Hans Fleischhacker ausgewählt, um mit weiteren 85 Jüdinnen und Juden anthropologisch untersucht zu werden.
Am 30. Juli 1943 wurden die 86 ins KZ Natzweiler-Struthof deportiert, wo sie am 2. August 1943 eintrafen. Dort wurde die 18-Jährige am 13. August 1943 in der Gaskammer ermordet.
Ergänzende Angaben zur Familie von Emma Amar verdanke ich dem Archiv der Jüdischen Gemeinde in Thessaloniki. Dort war mir Archivarin Aliki Arouh bei der Recherche behilflich. Hinweise zu Evangelia Amar gab mir Charoula Kokkinou, eine Großnichte von Emma Amar.
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Palomba Arnades
Palomba Arnades wurde 1923 in Thessaloniki geboren. Nach ihrer Internierung durch die Gestapo im Ghetto Baron Hirsch in Thessaloniki wurde sie nach Auschwitz deportiert. Am 17. April 1943 kamen mit diesem Transport etwa 3000 jüdische Frauen, Männer und Kinder dort an.
An der Rampe wurden 467 Männer und 262 Frauen als Häftlinge ins Lager geschickt - darunter Palomba Arnades, der die SS die Nummer 41545 auf den linken Unterarm tätowieren ließ. Die übrigen vermutlich 2271 Personen wurden sofort in die Gaskammer getrieben und umgebracht.
Am 30. Juli 1943 erfolgte - nachdem sie von zwei Anthropologen selektiert worden war - mit 85 weiteren Schicksalsgefährten die Deportation ins KZ Natzweiler-Struthof. Dort wurde die 20-Jährige am 13. August 1943 in der Gaskammer ermordet.
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Aron Aron
Geboren wurde Aron Aron vermutlich in Thessaloniki (Griechenland), sein Geburtsdatum ist nicht bekannt. Nach seiner Internierung durch die Gestapo im Ghetto Baron Hirsch in Thessaloniki wurde er nach Auschwitz deportiert.
Am 4. Mai 1943 kommen mit diesem 14. Transport 2930 jüdische Frauen, Männer und Kinder dort an. An der Rampe wurden 220 Männer und 318 Frauen als Häftlinge ins Lager geschickt - darunter Aron Aron, dem die SS die Nummer 119803 auf den linken Unterarm tätowieren ließ. Die übrigen 2392 Personen wurden sofort in die Gaskammer getrieben und umgebracht.
Nach einer Selektion durch die SS-Anthropologen Bruno Beger und Hans Fleischhacker im Juni 1943 wurde Aron Aron am 30. Juli 1943 mit weiteren 85 Jüdinnen und Juden ins KZ Natzweiler-Struthof gebracht und dort am 16. August 1943 in der Gaskammer ermordet.
Laut dem Autopsieprotokoll französischer Pathologen war Aron Aron zu seinem Todeszeitpunkt zwischen 50 und 55 Jahren alt.
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Nety Aruch
Nety Aruch wurde 1919 in Thessaloniki (Griechenland) geboren. Nach ihrer Internierung durch die Gestapo im Ghetto Baron Hirsch in Thessaloniki wurde sie nach Auschwitz deportiert. Am 17. April 1943 kamen mit diesem Transport etwa 3000 jüdische Frauen, Männer und Kinder dort an.
An der Rampe wurden 467 Männer und 262 Frauen als Häftlinge ins Lager geschickt - darunter Nety Aruch, der die SS die Nummer 41547 auf den linken Unterarm tätowieren ließ. Die übrigen vermutlich 2271 Personen wurden sofort in die Gaskammer getrieben und umgebracht.
Nach einer Selektion durch die SS-Anthropologen Bruno Beger und Hans Fleischhacker im Juni 1943 wurde die 24-Jährige am 30. Juli 1943 mit weiteren 85 Jüdinnen und Juden ins KZ Natzweiler-Struthof gebracht und dort am 11. August 1943 in der Gaskammer ermordet.
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Gedächtnisschrein des griechischen Künstlers Xenis Sachinis im Jüdischen Museum Thessaloniki. Die KZ-Nummer am Unterarm verweist auf Nety Aruch
Bild: Mutschler
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Martin Ascher
Geboren wurde Martin Ascher am 4. Mai 1910 in Berlin als Sohn von Alphons Ascher und Jeannette geborene Markus. Das Ehepaar hatte zwei Söhne (Hermann Willi und Martin) und zwei Töchter (Elsbeth und Frida). Martin, von Beruf Mechaniker, heiratete er am 4. Mai 1933 die Verkäuferin Ernestine Bendit (* 16. Juni 1906 in Berlin). Das Ehepaar wohnte zuletzt in Berlin-Mitte in der Blumenstraße 17.
Aus der Familie Ascher haben nur Martins Bruder und die beiden ältesten Töchter seiner Schwester Elsbeth aus deren ersten Ehe die Shoah überlebt: Ingeborg Bober (*1927) und Ilse Bober (*1928). Sie mussten - wie auch deren beide jüngere Stiefschwestern - ab 1937 ohne ihre Mutter aufwachsen, die wegen Beleidigung einer Amtsperson zunächst zu einer Gefängnisstrafe im Frauenzuchthaus Cottbus verurteilt, anschließend ins KZ Ravensbrück deportiert wurde, wo sie vermutlich 1943 ums Leben gekommen ist. Ingeborg und Ilse überlebten das KZ Theresienstadt, wohin sie 1943 (Ingeborg) bzw. 1944 (Ilse) deportiert worden waren. Die beiden anderen Mädchen ermordete die SS 1943 in Auschwitz.
Martins Bruder Hermann Willi hat sich allem Anschein nach in Berlin durchschlagen können. Nach dem Krieg arbeitete er zunächst als Pförtner im Jüdischen Krankenhaus in der Iranischen Straße.
Am 1. März 1943 – fünf Tage vor seiner Frau – wurde Martin Ascher mit dem 31. Osttransport von Berlin nach Auschwitz deportiert. Am 2. März 1943 kamen mit diesem Transport 1500 jüdische Frauen, Männer und Kinder dort an. An der Rampe wurden 150 Männer als Häftlinge ins Lager geschickt - darunter Martin Ascher, dem die SS die Nummer 104744 auf den linken Unterarm tätowieren ließ. Die übrigen 1350 Personen wurden sofort in die Gaskammer getrieben und umgebracht.
Martin Ascher wurde am 28. März 1943 in Block 21 des Stammlagers Auschwitz, dem Häftlingskrankenhaus, an einem Geschwür operiert. Nach einer Selektion durch die SS-Anthropologen Bruno Beger und Hans Fleischhacker im Juni 1943 wurde der 33-Jährige am 30. Juli 1943 mit weiteren 85 Jüdinnen und Juden ins KZ Natzweiler-Struthof gebracht und dort am 16. August 1943 in der Gaskammer ermordet.
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Esra Asser
Geboren vermutlich in Thessaloniki (Griechenland), Geburtsdatum nicht bekannt. Nach seiner Internierung durch die Gestapo im Ghetto Baron Hirsch in Thessaloniki wurde Esra Asser nach Auschwitz deportiert. Am 4. Mai 1943 kamen mit diesem Transport 2930 jüdische Frauen, Männer und Kinder dort an.
An der Rampe wurden 220 Männer und 318 Frauen als Häftlinge ins Lager geschickt - darunter Esra Asser, dem die Lager-SS die Nummer 119804 auf den linken Unterarm tätowieren ließ. Die übrigen 2392 Personen wurden sofort in die Gaskammer getrieben und umgebracht.
Nach einer Selektion durch die SS-Anthropologen Bruno Beger und Hans Fleischhacker im Juni 1943 wurde Esra Asser am 30. Juli 1943 mit weiteren 85 Jüdinnen und Juden ins KZ Natzweiler-Struthof gebracht und dort am 16. August 1943 in der Gaskammer ermordet.
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Allegra Attas
Geboren wurde Allegra Asser 1923 in Thessaloniki/Griechenland. Nach ihrer Internierung durch die Gestapo im Ghetto Baron Hirsch in Thessaloniki wurde sie nach Auschwitz deportiert. Am 24. März 1943 kamen mit diesem Transport ungefähr 2800 jüdische Frauen, Männer und Kinder dort an.
An der Rampe wurden 584 Männer und 230 Frauen als Häftlinge ins Lager geschickt - darunter Allegra Attas, der die SS die Nummer 38976 auf den linken Unterarm tätowieren ließ. Die übrigen vermutlich 1986 Personen wurden sofort in die Gaskammer getrieben und umgebracht.
Nach einer Selektion durch die SS-Anthropologen Bruno Beger und Hans Fleischhacker im Juni 1943 wurde die 20-Jährige am 30. Juli 1943 mit weiteren 85 Jüdinnen und Juden ins KZ Natzweiler-Struthof gebracht und dort am 13. August 1943 in der Gaskammer ermordet.
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Ernestine Baruch · Joachim Basch · Joachim Behrendt · Günther Benjamin · Allegre Beracha · Kalman Bezsmiertny · Samuel Bluosilio · Harri Bober · Sara Bomberg · Sophie Boroschek · Nisin Buchar
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Ernestine Baruch (Ernestine Barouh)
Geboren 1918 in Thessaloniki(Griechenland) als Tochter von Israel und Klara Barouh. Die Familie lebte im Zentrum der Stadt in der Amvrosiu 4. Nach ihrer Internierung durch die Gestapo im Ghetto Baron Hirsch in Thessaloniki wurde sie am 7. April 1943 mit ihrer verwitweten Mutter und ihrem Bruder Mois nach Auschwitz deportiert. Am 13. April 1943 kamen mit diesem Transport etwa 2800 jüdische Frauen, Männer und Kinder dort an. An der Rampe wurden 500 Männer und 364 Frauen als Häftlinge ins Lager geschickt - darunter Ernestine Barouh. Sie wurde unter dem Namen Ernestine Baruch in den Akten geführt, die SS ließ ihr die Nummer 40949 in den linken Unterarm tätowieren.
Nach einer Selektion durch die SS-Anthropologen Bruno Beger und Hans Fleischhacker im Juni 1943 im Block 10 von Auschwitz I (Stammlager) wurde die 25-Jährige am 30. Juli 1943 mit weiteren 85 Jüdinnen und Juden ins KZ Natzweiler-Struthof gebracht und dort am 11. oder 13. August 1943 in der Gaskammer ermordet.
Hinweise zur Familienbiographie verdanke ich dem Archiv der Jüdischen Gemeinde in Thessaloniki. Dort war mir Archivarin Aliki Arouh bei der Recherche behilflich.
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Joachim Basch
Geboren am 3. Dezember 1922 in Swinemünde an der Ostsee (heute: Świnoujście/Polen). Vater: Bruno Basch (geboren am 5. Oktober 1889 in Swinemünde, am 17. März nach Theresienstadt, überlebte und wohnte nach der Befreiung in Berlin-Wedding); Mutter: Alice Basch geb. Basch (geboren am 20. Oktober 1893 in Berlin, am 17. März 1943 nach Theresienstadt, dort im August 1944 umgekommen).
Die Familie betrieb, von Joachim Baschs Großvater Siegfried ausgangs des 19. Jahrhunderts gegründet und von dessen Sohn Bruno bis 1933 fortgeführt, in Swinemünde ein "Garderoben- und Schuhwarengeschäft". Es befand sich die längste Zeit über Am Markt 14, danach noch kurz in der Hindenburgstraße. Anschließend lebte Joachim Basch mit seinen Eltern zusammen in Berlin, Prenzlauer Berg und schließlich in der Fehrbellinerstraße 8. Zuletzt musste er sich für wöchentlich 28 Reichsmark als Zwangsarbeiter bei den Deuta-Werken (Oranienstraße 25) verdingen.
Joachim Baschs Schwester Ilse (geboren am 12. April 1921 in Swinemünde) wurde am 3. März 1943 und er selbst am 12. März 1943 von Berlin nach Auschwitz deportiert. Am 13. März 1943 kamen mit seinem Transport 344 jüdische Männer sowie 620 jüdische Frauen und Kinder dort an. An der Rampe wurden 218 Männer und 147 Frauen als Häftlinge ins Lager geschickt - darunter Joachim Basch, dem die Lager-SS die Nummer 107790 auf den linken Unterarm tätowieren ließ. Die übrigen 599 Personen wurden sofort in die Gaskammer getrieben und umgebracht.
Basch wurde am 25. März 1943 von Buna aus »als Jugendlicher zum Arbeitseinsatz« befohlen. Nach einer Selektion durch die SS-Anthropologen Bruno Beger und Hans Fleischhacker im Juni 1943 wurde der 20-Jährige am 30. Juli 1943 mit weiteren 85 Jüdinnen und Juden ins KZ Natzweiler-Struthof gebracht und dort am 16. oder 18. August 1943 in der Gaskammer ermordet.
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Namenseintrag von Joachim Baschs Vater (Bruno) und Großvater (Siegfried) im Adressbuch Swinemünde von 1925.
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Joachim Behrendt
Geboren am 9. Dezember 1922 in Bischofswerder (heute: Biskupiec/Polen). Seine Eltern waren Walter Behrendt (geboren am 22. August 1886 in Marienburg/Westpreußen) und Erna geb. Seligmann (geboren am 11. November 1895 in Bischofswerder). Außer Joachim hatten sie noch einen älteren Sohn Max, der am 31. Juli 1920 geboren wurde und in Schweden die Shoah überlebte.
Joachim Behrendt hingegen wurde am 3. März 1943 – gemeinsam mit den Eltern – mit dem 33. Osttransport von Berlin nach Auschwitz deportiert. Am 4. März 1943 kamen mit diesem Transport 632 jüdische Männer und 1118 jüdische Frauen und Mädchen dort an. An der Rampe wurden 517 Männer und 200 Frauen als Häftlinge ins Lager geschickt - darunter Joachim Behrendt, dem die Lager-SS die Nummer 105598 auf den linken Unterarm tätowieren ließ. Die übrigen 1033 Personen wurden sofort in die Gaskammer getrieben und umgebracht. Behrendt wurde am 24. April 1943 wegen eines Geschwürs an der rechten Hand vom Häftlingskrankenbau Buna ins Stammlager Auschwitz überwiesen und am 27. April 1943 an diesem Geschwür in Block 21, dem Häftlingskrankenhaus, operiert.
Nach einer Selektion durch die SS-Anthropologen Bruno Beger und Hans Fleischhacker im Juni 1943 wurde der 20-Jährige am 30. Juli 1943 mit weiteren 85 Jüdinnen und Juden von Auschwitz ins KZ Natzweiler-Struthof gebracht und dort am 16. oder 18. August 1943 in der Gaskammer ermordet.
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Günther Benjamin
Geboren am 20. Dezember 1919 in Berlin als Sohn von Fritz Benjamin (geboren am 11. Juni 1891 in Breslau, am 1. März 1943 nach Auschwitz deportiert und dort umgebracht) und Gertrud geb. Finn (geboren am 23. Januar 1894 in Berlin, ebenfalls am 1. März 1943 nach Auschwitz deportiert und dort umgebracht). Der gelernte Elektromechaniker war verheiratet mit Margot Friedländer (geboren am 29. Dezember 1920 in Berlin) und arbeitete zuletzt als zwangsverpflichteter Maschinenbauer für wöchentlich 35 Reichsmark bei der Firma Stiller. Vor der Deportation wohnte er mit seiner Frau bei der Schwiegermutter in Berlin, Prenzlauer Berg, Winsstraße 18, zuvor in Kreuzberg in der Katzbachstraße 26. Von der großen Razzia am 27. Februar 1943, der "Fabrik-Aktion" hatte ihn sein Schwager Martin Friedländer, der zufällig davon erfahren hatte, vorgewarnt. Trotzdem war Günther Benjamin zur Arbeit gegangen - und am Arbeitsplatz festgenommen worden. Durch einen nichtjüdischen Lehrling konnte er Martin Friedländer einen Zettel mit der Bitte zukommen lassen, sich um seine hochschwangere Frau zu kümmern. Tatsächlich konnte sie dieser in ein Versteck bringen, wo Margot zwei Monate später Ilona Maria (geboren am 2. Mai 1943) zur Welt bringen konnte. Günther Benjamin wurde am 2. März 1943 mit dem 32. Osttransport von Berlin nach Auschwitz deportiert.
Am 3. März 1943 kamen mit diesem Transport etwa 1500 jüdische Frauen, Männer und Kinder dort an. An der Rampe wurden 535 Männer und 145 Frauen als Häftlinge ins Lager geschickt - darunter Günther Benjamin, dem die SS die Nummer 105257 auf den linken Unterarm tätowieren ließ. Die übrigen vermutlich 820 Personen wurden sofort in die Gaskammer getrieben und umgebracht.
Nach einer Selektion durch die SS-Anthropologen Bruno Beger und Hans Fleischhacker im Juni 1943 wurde der 23-Jährige am 30. Juli 1943 mit weiteren 85 Jüdinnen und Juden ins KZ Natzweiler-Struthof gebracht und dort am 16. oder 18. August 1943 in der Gaskammer ermordet. Margot Benjamin wurde mit ihrem Töchterchen am 15. November 1943 nach Theresienstadt deportiert. Sie überlebten beide die Shoah.
Einige Informationen über Margot Benjamin verdanke ich Regina Scheer.
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Günther Benjamin
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Allegre Beracha
Geboren 1922 in Thessaloniki (Griechenland). Nach ihrer Internierung durch die Gestapo im Ghetto Baron Hirsch in Thessaloniki wird sie nach Auschwitz deportiert. Am 17. April 1943 kommen mit diesem Transport etwa 3000 jüdische Frauen, Männer und Kinder dort an. An der Rampe wurden 467 Männer und 262 Frauen als Häftlinge ins Lager geschickt - darunter Allegre Beracha, der die SS die Nummer 41377 in den linken Unterarm tätowieren ließ. Die übrigen vermutlich 2271 Personen wurden sofort in die Gaskammer getrieben und umgebracht. Nach einer Selektion durch die SS-Anthropologen Bruno Beger und Hans Fleischhacker im Juni 1943 wurde die 21-Jährige am 30. Juli 1943 mit weiteren 85 Jüdinnen und Juden ins KZ Natzweiler-Struthof gebracht und dort am 13. August 1943 in der Gaskammer ermordet.
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Kalman Bezsmiertny
Sein Geburtsdatum und sein polnischer Geburtsort konnten bislang noch nicht ermittelt werden. Kalman Bezsmiertnys letzter Aufenthaltsort vor der Deportation nach Auschwitz war das Ghetto in Białystok/Polen. Am 7. Februar 1943 kam er mit 2000 jüdischen Frauen, Männern und Kindern in Auschwitz an. An der Rampe wurden aus diesem Deportationszug 123 Männer als Häftlinge ins Lager geschickt - darunter Kalman Bezsmiertny, dem die SS die Nummer 100614 auf den linken Unterarm tätowieren ließ. Die übrigen 1827 Personen wurden sofort in die Gaskammer getrieben und umgebracht. Die Selektion durch die Anthropologen Bruno Beger und Hans Fleischhacker zog eine weitere Deportation nach sich, am 2. August 1943 kam er mit 85 weiteren jüdischen Männern und Frauen ins KZ Natzweiler-Struthof. Dort wurde Bezsmiertny am 16. oder 18. August 1943 in der Gaskammer ermordet.
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Samuel Bluosilio
Geboren am 12. Februar 1902 in Thessaloniki/ Griechenland. Nach seiner Internierung durch die Gestapo im Ghetto Baron Hirsch in Thessaloniki wurde er nach Auschwitz deportiert. Am 22. April 1943 kamen mit diesem Transport 2800 jüdische Frauen, Männer und Kinder dort an. An der Rampe wurden 255 Männer und 413 Frauen als Häftlinge ins Lager geschickt - darunter Samuel Bluosilio, dem die SS die Nummer 117246 auf den linken Unterarm tätowieren ließ. Die übrigen 2132 Personen wurden sofort in die Gaskammer getrieben und umgebracht. Nach einer Selektion durch die SS-Anthropologen Bruno Beger und Hans Fleischhacker im Juni 1943 wurde der 41-Jährige am 30. Juli 1943 mit weiteren 85 Jüdinnen und Juden ins KZ Natzweiler-Struthof gebracht und dort am 16. oder 18. August 1943 in der Gaskammer ermordet.
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Harri Samuel Bober
Geboren am 29. Juni 1922 in Berlin. Sohn von Alfred Bober (geboren am 28. Februar 1891 in Glogau) und Klara Bober geb. Bober (geboren am 9. Januar 1888 in Ostrow/Posen). Fünf Onkel hatte Harri. Der Älteste, Georg, und der Drittälteste, Kurt, waren wie Alfred, sein Vater, noch in Glogau geboren. Dann zog die Familie nach Berlin, wo Hugo, Max Hermann und Ernst auf die Welt kamen. Zur Zeit der Volkszählung im Mai 1939 wohnte Harri mit seinen Eltern im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg, Choriner Straße 26.
Harri Samuel Bober wird - zusammen mit beiden Eltern - mit dem 36. Transportzug am 12. März 1943 von Berlin nach Auschwitz deportiert. Am 13. März 1943 kommen mit diesem Transport 344 jüdische Männer sowie 620 jüdische Frauen und Kinder dort an. An der Rampe wurden 218 Männer und 147 Frauen als Häftlinge ins Lager geschickt - darunter Samuel Bober, dem die SS die Nummer 107881 auf den linken Unterarm tätowieren ließ. Die übrigen 599 Personen wurden sofort in die Gaskammer getrieben und umgebracht. Bober wurde am 14. April 1943 wegen allgemeiner Schwäche vom Häftlingskrankenbau Buna ins Stammlager Auschwitz überwiesen. Nach einer Selektion durch die SS-Anthropologen Bruno Beger und Hans Fleischhacker im Juni 1943 wurde der 21-Jährige am 30. Juli 1943 mit weiteren 85 Jüdinnen und Juden ins KZ Natzweiler-Struthof gebracht und dort am 18. August 1943 in der Gaskammer ermordet.
Für zusätzliche Informationen danke ich Henri Bober, Cousin von Harri Bober.
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Sara Bomberg geb. Birentzvaig
Geboren wurde Sara Bomberg am 16. Juli 1904 in Warschau. Sie heiratete den ebenfalls aus Warschau stammenden Moishe Bomberg. Das Ehepaar, das nach Belgien ausgewandert war, bekam zwei Kinder, die den Holocaust überlebten: Aleram Hil (geboren 1932) und Hadasa (geboren 1935). Bereits am 31. Oktober 1942 wurde Moishe Bomberg nach Auschwitz deportiert und dort als Sklavenarbeiter beschäftigt.
Ehe Sara Bomberg am 10. April 1943 in Mechelen interniert wurde, hatte sie ihre Tochter Hadassa in einem belgischen Kinderheim unterbringen können. Diese erinnert sich an die Trennung von ihrer Mutter, die ihr versprochen hatte, sie bald wieder zu besuchen. Die Hoffnung blieb vergebens. Hadassa verbrachte in dem Heim bis 1944, wurde von einer nichtjüdischen Familie in Obhut genommen, nach der Befreiung Belgiens von einer in England lebenden Tante zu sich nach Dover geholt und kam schließlich im Mai 1949 nach Israel. Sie heiratete, brachte vier Kinder zur Welt und erfuhr erst im Jahr 2005 vom Schicksal ihrer Mutter. Noch vor der feierlichen Enthüllung des neuen Grabsteins besuchte sie das Grab auf dem Jüdischen Friedhof in Strasbourg-Cronenbourg.
Sara Bomberg war am 19. April 1943 von Mechelen nach Auschwitz deportiert worden. Am 22. April 1943 kamen mit diesem 20. Transport 507 Männer, 121 Jungen, 631 Frauen und 141 Mädchen, allesamt Juden, dort an. An der Rampe wurden 276 Männer und 245 Frauen als Häftlinge ins Lager geschickt, die übrigen 879 Personen wurden sofort in die Gaskammer getrieben und umgebracht. Sara Bomberg kam zunächst in den Block 10 im Stammlager, wo ihr die SS die Nummer 42571 auf den linken Unterarm tätowieren ließ. In diesem Versuchsblock wurde sie im Juni 1943 von den beiden SS-Anthropologen Bruno Beger und Hans Fleischhacker selektiert mit dem Ziel, sie mit anderen jüdischen Frauen und Männern für eine rassenathropologische Schausammlung an der Reichsuniversität Straßburg zu ermorden. Nach einer Selektion durch die SS-Anthropologen Bruno Beger und Hans Fleischhacker im Juni 1943 wurde die 39-Jährige am 30. Juli 1943 mit weiteren 85 Jüdinnen und Juden ins KZ Natzweiler-Struthof gebracht und dort am 11. oder 13. August 1943 in der Gaskammer ermordet.
Für zusätzliche Informationen danke ich Hadassa Pastel, Tochter von Sara Bomberg.
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Sara Bomberg
Am 15. September 2005, drei Monate
vor der Enthüllung des neuen Grabsteins, besuchte
Hadassa Pastel das Grab ihrer Mutter auf dem Jüdischen Friedhof von Strasbourg-Cronenbourg
Unter dem am 15. September 2005 noch verhüllten Grabstein der Name von Sara Bomberg.
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Sophie Boroschek
Als Älteste von drei Mädchen wurde Sophie Boroschek am 29. Januar 1910 in Moschin (heute: Mrocza/Polen) geboren. Das Kleinstädtchen 20 Kilometer südlich von Posen hatte kurz vor dem Ersten Weltkrieg eine jüdische Gemeinschaft mit etwa 110 Angehörigen. Das waren rund fünf Prozent der Einwohner. Sophies Eltern waren der Destillateur Abraham Boroschek (geboren am 22. Juni 1882 in Jaratschewo) und Lieschen geb. Hopp (geboren am 10. Mai 1886 in Moschin). Ihre beiden Schwestern waren Hildegard (geboren am 4. Februar 1912 in Moschin) und Else (geboren am 10. Februar 1914 in Schrimm, heute Srem/Polen).
Die gesamte Familie wurde von den Nationalsozialisten im Holocaust ermordet. Kurz nach dem Ersten Weltkrieg war die Familie nach Berlin gezogen. Von dort aus wechselte Hildegard zu einem nicht bekannten Zeitpunkt nach Stettin, heiratete am 13. Juli 1940 in Paderborn Lothar Leske, am 13. Dezember 1940 kam das junge Ehepaar nach Berlin und fand in der Wohnung der Boroscheks in der Brunnenstraße 16 Unterkunft. Hildegard und Lothar Leske wurden am 19. Februar 1943 nach Auschwitz deportiert und dort ermordet. Else Boroschek heiratete Rudi Herzko und lebte mit ihm in Kassel.
Sophie Boroschek zog 1935 von der Wilhelm-Stolz-Straße 35 in die Berliner Wohnung ihrer Eltern, die damals in Wedding (Bellermannstraße 1) lebten. Am 14. Mai 1936 wechselte sie nach Groß Salze (Kreis Kalbe), von dort zu einem nicht bekannten Zeitpunkt nach Bad Salzelmen in die Lindenstraße 18. Vom 28. Mai 1937 bis zum 14. Juni 1937 war sie wieder bei ihren Eltern in Wedding gemeldet, danach hielt sie sich bis zum 29. Juli 1937 in Wyk auf Föhr auf, anschließend wieder bei ihren Eltern. Sie wohnte vom 1. Mai 1939 an in Berlin-Pankow in der Berliner Straße 127 in der Villa des hochbetagten Zigarettenfabrikanten Josef Garbáty-Rosenthal, der die Anstrengungen der Emigration nicht mehr auf sich nehmen wollte; er starb am 29. Juni 1939. Sophie Boroschek war vermutlich seine Pflegerin. Vom 1. September 1942 an arbeitete sie als Krankenschwester im Jüdischen Krankenhaus und wohnte in der Brunnenstraße 16 bei ihren Eltern, die am 12. März 1943 nach Auschwitz deportiert wurden.
Am 17. Mai 1943 wurde Sophie Boroschek mit dem 38. Osttransport ebenfalls von Berlin nach Auschwitz deportiert. Mit diesem Transport kamen am 19. Mai 1943 ungefähr 1000 jüdische Frauen, Männer und Kinder dort an. An der Rampe wurden 80 Männer und 115 Frauen, darunter Sophie Boroschek, als Häftlinge ins Lager geschickt, wo ihr die SS die Nummer 45177 auf den linken Unterarm tätowierte. Die übrigen vermutlich 805 Personen wurden sofort in die Gaskammer getrieben und umgebracht. Am 30. Juli 1943 erfolgte die Deportation ins KZ Natzweiler-Struthof. Dort wurde sie am 11. oder 13. August 1943 in der Gaskammer ermordet, weil Wissenschaftler der SS beabsichtigten, aus Leichen von Juden eine anthropologische Sammlung zu präparieren. Sie wurde 33 Jahre alt.
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Stolperstein Berlin
Brunnenstraße 16
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Nisin Buchar (Nissim Bahar)
Registriert in Auschwitz hat man ihn als Nisin Buchar. Sein Geburtsname war aber wahrscheinlich Nissim Bahar, als er 1893 in Istanbul auf die Welt gekommen ist. Sein Vater hieß Yesuah Bahar, mehr ist über die Familie nicht bekannt, auch nicht, wann sie nach Thessaloniki gekommen ist. Gut möglich, dass es 1923 war.
Nissim Bahar heiratete Rahel Florentin. 1938 kamen Zwillingssöhne auf die Welt, Yeshua und Ovada. Ihr Auskommen hatte die Familie durch die Arbeit des Vaters als Hemdenmacher. Die Wohnung befand sich in der Paraskevopoulou 37.
Nach ihrer Internierung durch die Gestapo im Ghetto Baron Hirsch in Thessaloniki wurde die Familie nach Auschwitz deportiert. Am 13. April 1943 kamen mit diesem Transport etwa 2800 jüdische Frauen, Männer und Kinder dort an. An der Rampe wurden 500 Männer und 364 Frauen als Häftlinge ins Lager geschickt - darunter Nissim Bahar, dem die SS die Nummer 115218 auf den linken Unterarm tätowieren ließ. Seine Frau und seine Söhne wurden mit den übrigen vermutlich 1936 Personen sofort in die Gaskammer getrieben und umgebracht.
Nach einer Selektion durch die SS-Anthropologen Bruno Beger und Hans Fleischhacker im Juni 1943 wurde der 50-jährige Nissim Bahar am 30. Juli 1943 mit weiteren 85 Jüdinnen und Juden ins KZ Natzweiler-Struthof gebracht und dort am 17. oder 19. August 1943 in der Gaskammer ermordet.
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Hinweise zur Familienbiographie verdanke ich dem Archiv der Jüdischen Gemeinde in Thessaloniki. Dort war mir Archivarin Aliki Arouh bei der Recherche behilflich.
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C
Rebeca Cambeli · Sarica Cambeli · Elei Cohen · Juli Cohen · Hugo Cohn
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Rebeca Cambeli
Geboren 1912 in Thessaloniki (Griechenland). Nach ihrer Internierung durch die Gestapo im Ghetto Baron Hirsch in Thessaloniki wird sie nach Auschwitz deportiert Am 22. April 1943 kommen mit diesem Transport 2800 jüdische Frauen, Männer und Kinder dort an. An der Rampe wurden 255 Männer und 413 Frauen als Häftlinge ins Lager geschickt, die übrigen 2132 Personen wurden sofort in die Gaskammer getrieben und umgebracht. Nach einer Selektion durch die SS-Anthropologen Bruno Beger und Hans Fleischhacker im Juni 1943 wurde die 31-Jährige am 30. Juli 1943 mit weiteren 85 Jüdinnen und Juden ins KZ Natzweiler-Struthof gebracht und dort am 11. oder 13. August 1943 in der Gaskammer ermordet.
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Sarica Cambeli
Geboren am 2. November 1923 in Thessaloniki (Griechenland). Nach ihrer Internierung durch die Gestapo im Ghetto Baron Hirsch in Thessaloniki wird sie nach Auschwitz deportiert. Am 18. April 1943 kommen mit diesem Transport 2501 jüdische Frauen, Männer und Kinder dort an. An der Rampe wurden 360 Männer und 245 Frauen als Häftlinge ins Lager geschickt, die übrigen 1896 Personen wurden sofort in die Gaskammer getrieben und umgebracht. Nach einer Selektion durch die SS-Anthropologen Bruno Beger und Hans Fleischhacker im Juni 1943 wurde die 19-Jährige am 30. Juli 1943 mit weiteren 85 Jüdinnen und Juden ins KZ Natzweiler-Struthof gebracht und dort am 11. oder 13. August 1943 in der Gaskammer ermordet.
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Elei Cohen
Elei Cohen wurde am 15. März 1907 in Thessaloniki (Griechenland) geboren. Nach seiner Internierung durch die Gestapo im Ghetto Baron Hirsch in Thessaloniki wurde er nach Auschwitz deportiert. Am 18. April 1943 kamen mit seinem Transport 2501 jüdische Frauen, Männer und Kinder dort an. An der Rampe wurden 360 Männer und 245 Frauen als Häftlinge ins Lager geschickt - darunter Elei Cohen, dem die SS die Nummer 116456 auf den linken Unterarm tätowieren ließ. Die übrigen 1896 Personen wurden sofort in die Gaskammer getrieben und umgebracht. Elei Cohen befand sich zeitweise im Arbeitskommando. Nach einer Selektion durch die SS-Anthropologen Bruno Beger und Hans Fleischhacker im Juni 1943 wurde der 36-Jährige am 30. Juli 1943 mit weiteren 85 Jüdinnen und Juden ins KZ Natzweiler-Struthof gebracht und dort am 16. oder 18. August 1943 in der Gaskammer ermordet.
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Juli Cohen
Geboren 1927 in Thessaloniki (Griechenland). Nach ihrer Internierung durch die Gestapo im Ghetto Baron Hirsch in Thessaloniki wird sie am 15. März 1943 mit dem ersten Transport nach Auschwitz deportiert. Am 20. März 1943 kommen mit diesem Transport ungefähr 2800 jüdische Frauen, Männer und Kinder dort an. An der Rampe wurden 417 Männer und 192 Frauen als Häftlinge ins Lager geschickt - darunter Juli Cohen, der die SS die Nummer 38774 auf den linken Unterarm tätowieren ließ. Die übrigen vermutlich 2191 Personen wurden sofort in die Gaskammer getrieben und umgebracht. Nach einer Selektion durch die SS-Anthropologen Bruno Beger und Hans Fleischhacker im Juni 1943 wurde die 16-Jährige am 30. Juli 1943 mit weiteren 85 Jüdinnen und Juden ins KZ Natzweiler-Struthof gebracht und dort am 11. oder 13. August 1943 in der Gaskammer ermordet.
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Hugo Cohn
Geboren am 16. Januar 1895 in Berlin als Sohn von David Cohn und Emma geb. Marcuse. Er heiratete 1920 in Neukölln die Buchhalterin Henriette Bragenheim (geboren am 9. Mai 1897 in Güstrow). Von Beruf Kaufmann, übernahm er nach dem Tod der Eltern Mitte der 1920er Jahre die Buchdruckerei Cohn & Guttentag. Zwei Kinder kamen auf die Welt: Ilse Cohn (geboren am 4. Mai 1923, eingeschult 1929, kam am 1. Oktober 1934 an die Helene-Lange-Schule, 1939 Emigration nach Großbritannien, 1942 Ehe mit Manfred Falkenfleck, gestorben 1995 in Neuseeland) und Günther Cohn (geboren am 5. Oktober 1927 in Berlin, eingeschult 1934, Schulabschluss am 31. März 1942, weiteres Schicksal nicht bekannt). Zuletzt musste Hugo Cohn Zwangsarbeit für das Berliner Abbruch-Unternehmen Kurt Hein verrichten. Letzte Adresse war in Berlin, Prenzlauer Berg, Pasteurstraße 36.
Mit dem 33. Osttransport wurde er am 3. März 1943 von Berlin nach Auschwitz deportiert. Am nächsten Tag kamen mit diesem Transport 632 jüdische Männer und 1118 jüdische Frauen und Mädchen dort an. An der Rampe wurden 517 Männer und 200 Frauen als Häftlinge ins Lager geschickt - darunter Hugo Cohn, dem die SS die Nummer 105611 auf den linken Unterarm tätowieren ließ. Die übrigen 1033 Personen wurden sofort in die Gaskammer getrieben und umgebracht.
Nach einer Selektion durch die SS-Anthropologen Bruno Beger und Hans Fleischhacker im Juni 1943 wurde der 48-Jährige am 30. Juli 1943 mit weiteren 85 Jüdinnen und Juden ins KZ Natzweiler-Struthof gebracht und dort am 18. August 1943 in der Gaskammer ermordet.
Hinweise auf die Familienbiographie verdanke ich auch der Berliner Stolperstein-Initiative und Mike Burger, einem Neffen von Hugo Cohn.
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Hugo Cohn
Foto: Familienbesitz
Stolperstein in Berlin
Pasteurstraße
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D
Günter Dannenberg · Sabi Dekalo · Kurt Driesen
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Günter Dannenberg
Geboren am 8. Oktober 1922 in Berlin. Wohnte in Berlin-Friedrichshain in der Brendickestraße 17. Mit dem 37. Osttransport wurde er am 19. April 1943 von Berlin nach Auschwitz deportiert. Am 20. April 1943 kamen mit diesem Transport etwa 1000 jüdische Frauen, Männer und Kinder dort an. An der Rampe wurden 299 Männer und 158 Frauen als Häftlinge ins Lager geschickt - darunter Günter Dannenberg, dem die SS die Nummer 117045 auf den linken Unterarm tätowieren ließ. Die übrigen vermutlich 543 Personen wurden sofort in die Gaskammer getrieben und umgebracht.
Günter Dannenberg wurde am 10. Mai 1943 »zur Landwirtschaftsverwaltung zur Verfügung des SS-Sturmbannführers Caesar überstellt«. Nach einer Selektion durch die SS-Anthropologen Bruno Beger und Hans Fleischhacker im Juni 1943 wurde der 20-Jährige am 30. Juli 1943 mit weiteren 85 Jüdinnen und Juden ins KZ Natzweiler-Struthof gebracht und dort am 18. August 1943 in der Gaskammer ermordet.
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Sabi Dekalo
Geboren am 14. Mai 1925 in Thessaloniki (Griechenland). Seine Eltern waren Salomon und Isabelle Benveniste, die noch einen weiteren Sohn hatten. Die Familie lebte zuletzt in der Elikonos 18.
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Nach seiner Internierung durch die Gestapo im Ghetto Baron Hirsch in Thessaloniki wurde Sabi Dekalo nach Auschwitz deportiert. Am 17. April 1943 kamen mit diesem Transport etwa 3000 jüdische Frauen, Männer und Kinder dort an. An der Rampe wurden 467 Männer und 262 Frauen als Häftlinge ins Lager geschickt - darunter Sabi Dekalo, dem die SS die Nummer 115983 auf den linken Unterarm tätowieren ließ. Die übrigen vermutlich 2271 Personen wurden sofort in die Gaskammer getrieben und umgebracht.
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Am 8. Juni 1943 wurde der 18-Jährige vom Häftlingskrankenbau Buna wegen einer Arythmie in das Krankenrevier im Stammlager Auschwitz überwiesen. Nach einer Selektion durch die SS-Anthropologen Bruno Beger und Hans Fleischhacker im Juni 1943 wurde er am 30. Juli 1943 mit weiteren 85 Jüdinnen und Juden ins KZ Natzweiler-Struthof gebracht und dort am 16. oder 18. August 1943 in der Gaskammer ermordet.
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Einzelheiten zur Familienbiographie berichtete mir Saby Decalo, ein Neffen von Sabi Dekalo. Weitere Hinweise verdanke ich dem Archiv der Jüdischen Gemeinde in Thessaloniki. Dort war mir Archivarin Aliki Arouh bei der Recherche behilflich.
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Kurt Driesen
Geboren am 27. März 1914 in Berlin. Seine Eltern waren der Kaufmann Max Driesen und die Wienerin Marie geb. Schafranik. Die 1909 geschlossene Ehe wurde 1931 geschieden. Vier Kinder gehörten zur Familie, außer Kurt noch Manfred (*1909), Sylvia (*1912) und Ismar (*1913).
Die Mutter lebte mit ihren Kindern noch bis 1938 in der Kaiser-Wilhelm-Str. 32 in Berlin, dann musste sie mit weiteren jüdischen Frauen und Männern nach Schöneberg in eine Sammelwohnung umziehen. Im Ghetto von Riga wurde sie vermutlich im August 1942 ermordet. Ihr geschiedener Mann Max wurde am 17. Mai 1943 nach Auschwitz deportiert und kam dort ums Leben. Tochter Sylvia, die nach der Pogromnacht im November 1938 verhaftet und einige Monate im Konzentrationslager Ravensbrück interniert worden war, konnte im letzten Augenblick vor Kriegsbeginn nach London emigrieren. Dort heiratete sie Isidor James Recht. Sie starb 2003 im Alter von 97 Jahren. Max und Marie Driesens jüngster Sohn Ismar entkam nach Shanghai, von wo aus er nach dem Krieg in die USA wechselte. Er starb dort unter dem Namen Jimmy Driesen im Jahr 1965.
Kurt Driesen heiratete die gleichaltrige Elsa Alster. Das Ehepaar verfügte über so wenig Geld, dass es sich in seiner Unterkunft keine eigenen Möbel leisten konnte. Diese waren Eigentum der Möbelkammer der Jüdischen Gemeinde. Kurt Driesen war zuletzt als Zwangsarbeiter bei Fromms Gummi-Werken beschäftigt. Während der sogenannten Fabrikaktion wurde er am 1. März 1943 verhaftet und interniert. Noch am selben Tag wurde seine Frau nach Auschwitz deportiert (und dort ermordet), er selbst folgte zwei Tage später. Am 4. März 1943 kamen mit seinem Transport 632 jüdische Männer und 1118 jüdische Frauen und Mädchen dort an. An der Rampe wurden 517 Männer und 200 Frauen als Häftlinge ins Lager geschickt - darunter Kurt Driesen, dem die SS die Nummer 105757 auf den linken Unterarm tätowieren ließ. Die übrigen 1033 Personen wurden sofort in die Gaskammer getrieben und umgebracht.
Driesen musste sich am 27. April 1943 in Block 21, dem Häftlingskrankenhaus des sogenannten Stammlagers, operieren lassen. Am 25. Mai 1943 taxierte ein Berliner Obergerichtsvollzieher Driesens zurückgelassenes Wohnungsinventur auf 317 Reichsmark. Er selbst wurde zwei Wochen später von den beiden SS-Anthropologen Bruno Beger und Hans Fleischhacker selektiert und am 30. Juli 1943 mit weiteren 85 Jüdinnen und Juden ins KZ Natzweiler-Struthof gebracht. Dort wurde der 29-Jährige am 16. oder 18. August 1943 in der Gaskammer ermordet.
Für ergänzende Angaben danke ich Kurt Driesens Nichte Erika Kates
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Kurt Driesen mit seiner Frau Elsa.
Sammlung Erika Kates
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E
Aron Esformes · Aron Eskaloni · Ester Eskenazi
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Aron Esformes
Geboren vermutlich in Thessaloniki (Griechenland). Geburtsdatum nicht bekannt. Laut Autopsieprotokoll war er zu seinem Todeszeitpunkt etwa 30 Jahre alt. Nach seiner Internierung durch die Gestapo im Ghetto Baron Hirsch in Thessaloniki wird er Ende April 1943 nach Auschwitz deportiert. Am 4. Mai 1943 kommen mit diesem Transport 2930 jüdische Frauen, Männer und Kinder dort an. An der Rampe wurden werden 220 Männer und 318 Frauen als Häftlinge ins Lager geschickt - darunter Aron Esformes, dem die SS die Nummer 119858 auf den linken Unterarm tätowieren ließ. Die übrigen 2392 Personen wurden sofort in die Gaskammer getrieben und umgebracht. Nach einer Selektion durch die SS-Anthropologen Bruno Beger und Hans Fleischhacker im Juni 1943 wurde Aron Esformes am 30. Juli 1943 mit weiteren 85 Jüdinnen und Juden ins KZ Natzweiler-Struthof gebracht und dort am 16. August 1943 in der Gaskammer ermordet.
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Aron Eskaloni
Aron Eskaloni wurde als Sohn von Isaac und Delisia Abastado 1918 in Thessaloniki geboren. Er war der zweitjüngste von sechs Söhnen: Solomon (* 1909), Vital (* 1911), Shimon (* 1912), Djako (* 1915) und Benjamin (* 1922) hießen die anderen.
Aron Eskalonis Vater starb 1936 im Alter von nur 53 Jahren. Alle übrigen Familienangehörigen wurden am 28. April 1943 nach Auschwitz deportiert. Am 4. Mai 1943 kamen mit diesem Transport 2930 jüdische Frauen, Männer und Kinder dort an. An der Rampe wurden 220 Männer und 318 Frauen als Häftlinge ins Lager geschickt - darunter Aron Eskaloni, dem die SS die Nummer 119853 auf den linken Unterarm tätowieren ließ. Die übrigen 2392 Personen wurden sofort in die Gaskammer getrieben und umgebracht.
Nach einer Selektion durch die SS-Anthropologen Bruno Beger und Hans Fleischhacker im Juni 1943 wurde Aron Eskaloni am 30. Juli 1943 mit weiteren 85 Jüdinnen und Juden ins KZ Natzweiler-Struthof gebracht und dort am 16. oder 18. August 1943 in der Gaskammer ermordet. Er wurde 25 Jahre alt.
Zwei Brüder von Aron Eskaloni haben die Shoah überlebt: Djako Eskaloni und Benjamin Eskaloni.
Hinweise zur Familienbiographie verdanke ich dem Archiv der Jüdischen Gemeinde in Thessaloniki. Dort war mir Archivarin Aliki Arouh bei der Recherche behilflich.
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Ester Eskenazi
Geboren 1924 in Thessaloniki als Tochter des Eisenbahn-Angestellten Moshe Eskenazi und Doudone Ventura. Zwei weitere Kinder der Familie waren Samuel und Gabriel.
Die Eltern starben früh, weshalb Ester Eskenazi bei ihrer Großmutter unweit des Viertels Baron Hirsch lebte. Ihr Bruder Samuel wurde während der Deportationen von den Nazis erschossen, weil er einen Befehl missachtete. Gabriel überlebte die Lager, emigrierte nach der Befreiung in die USA und ist dort 2005 gestorben.
Nach ihrer Verhaftung durch die Gestapo wurde Esther am 15. März 1943 mit dem ersten Transport nach Auschwitz deportiert. Am 20. März 1943 kamen mit diesem Transport ungefähr 2800 jüdische Frauen, Männer und Kinder dort an. An der Rampe wurden 417 Männer und 192 Frauen als Häftlinge ins Lager geschickt, darunter Ester Eskenazi, der die SS die Nummer 38801 auf den linken Unterarm tätowieren ließ. Die übrigen vermutlich 2191 Personen wurden sofort in die Gaskammer getrieben und umgebracht.
Mit weiteren griechischischen Häftlingsfrauen wurde Ester Eskenazi in den Block 10 des sogenannten Stammlagers eingewiesen. Nach einer Selektion durch die SS-Anthropologen Bruno Beger und Hans Fleischhacker im Juni 1943 wurde die 19-Jährige am 30. Juli 1943 mit weiteren 85 Jüdinnen und Juden ins KZ Natzweiler-Struthof gebracht und dort am 11. oder 13. August 1943 in der Gaskammer ermordet.
Ergänzende biographische Hinweise berichtete mir Rachel Eskenazi (New York), eine Nichte von Esther Eskenazi.
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Maurice (Moshe) Francès · Abraham Franco · Heinz Frischler
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Maurice (Moshe) Francès
Geboren etwa 1908 mit dem Namen Moshe David in Thessaloniki (Griechenland) als Sohn des Immobilienmaklers David Francès und seiner Frau Esther Tazartes. Die Eltern hatten sechs Kinder: Buèna, Emma, Rebecca, Mathilde, Maurice und Rachel.
Ende der 1920er Jahre verließen etliche Familienmitglieder Thessaloniki. Moshe's gleichnamiger Onkel und dessen Ehefrau Buena waren bereits kurz nach der Geburt ihres Sohnes Eliyahu (28. Nov.1928) von Thessaloniki nach Amsterdam und von dort 1930 nach Brüssel gezogen. Auch Moshe's Geschwister Buèna und Rebecca gingen zur selben Zeit diesen Weg. Der Großvater, Rabbi Moshe David, und seine Frau Benuta wanderten 1932 nach Jerusalem aus. In der Hoffnung, dort Arbeit zu finden, reisten Mitte der 1930er Jahre die Zwillinge Moshe, der sich nun Maurice nannte, und Rachel mit einem Touristenvisum nach Brüssel. Auf Grund der wirtschaftlichen Situation erhielten sie jedoch keine Aufenthaltserlaubnis und mussten nach Ablauf des Visums wieder nach Griechenland zurückkehren.
Als die Deutschen 1943 in Thessaloniki mit der Deportation der griechischen Juden begannen, wurde Maurice Francès nach kurzer Internierung im Ghetto Baron Hirsch durch die Gestapo zusammen mit seiner Zwillingsschwester Rachel und seinen Eltern Ende April 1943 mit dem 14. Transportzug von Thessaloniki nach Auschwitz deportiert. Am 4. Mai 1943 kamen mit diesem Transport 2930 jüdische Frauen, Männer und Kinder dort an. An der Rampe wurden 220 Männer und 318 Frauen als Häftlinge ins Lager geschickt - darunter Maurice Francese, dem die SS die Nummer 119859 auf den linken Unterarm tätowieren ließ. Die übrigen 2932 Personen wurden sofort in die Gaskammer getrieben und umgebracht, darunter die Eltern von Maurice Francès. Seine Zwillingsschwester soll ein Opfer des SS-Mediziners Josef Mengele geworden sein.
Maurice Francès zählt zu den Juden, die von den SS-Anthropologen Bruno Beger und Hans Fleischhacker selektiert wurden. Nach einer Selektion durch die SS-Anthropologen Bruno Beger und Hans Fleischhacker im Juni 1943 wurde der 35-Jährige am 30. Juli 1943 mit weiteren 85 Jüdinnen und Juden ins KZ Natzweiler-Struthof gebracht und dort am 16. oder 18. August 1943 in der Gaskammer ermordet.
Ergänzende biographische Angaben verdanke ich Elie-Guy Francès aus Brüssel, einem Neffen von Maurice Francès.
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Maurice Francès
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Abraham (Avraam) Franco
Die Lagerregistratur in Auschwitz verzeichnete ihn mit deutschem Vornamen Abraham. Geboren wurde Avraam Franco am 30. Oktober 1926 in Thessaloniki als ältester Sohn von Aaron Franco und Djilda Levi. Im Viertel Baron Hirsch führten sie in der Straße Iatrou Perrera eine kleine Taverne. Weitere Kinder kamen auf die Welt: Michel (* 1933), Mordohai (* 1941) und Esterina (* unbekannt)..
Am 15. März 1943 wurde die komplette Familie gleich mit dem ersten Transportzug ins KZ Auschwitz deportiert. Am 20. März 1943 kamen dort ungefähr 2800 jüdische Frauen, Männer und Kinder an. An der Rampe wurden 417 Männer und 192 Frauen als Häftlinge ins Lager geschickt - darunter Avraam Franco, dem die SS die Nummer 109469 auf den linken Unterarm tätowieren ließ. Die übrigen vermutlich 2191 Personen wurden sofort in der Gaskammer umgebracht.
Nach einer Selektion durch die SS-Anthropologen Bruno Beger und Hans Fleischhacker im Juni 1943 wurde der 16-Jährige am 30. Juli 1943 mit weiteren 85 Jüdinnen und Juden ins KZ Natzweiler-Struthof gebracht und dort am 16. oder 18. August 1943 in der Gaskammer ermordet.
Hinweise zur Familienbiographie verdanke ich dem Archiv der Jüdischen Gemeinde in Thessaloniki. Dort war mir Archivarin Aliki Arouh bei der Recherche behilflich.
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Heinz Frischler
Geboren am 18. April 1917 in Breslau (heute: Wrocław/Polen) als ältester Sohn des Kaufmanns Leo Frischler und dessen Frau Paula geborene Cohn. Nach ihm kamen noch Erich (* 8. August 1919) und Werner (10. April 1925) auf die Welt. Die beiden älteren Brüder hatten eine enge Beziehung zueinander. Politisiert durch den sozialdemokratisch eingestellten Vater, beteiligten sie sich aktiv am Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold, dem Schutzverband der Weimarer Republik. Zudem gehörten sie der zionistischen Organisation Makkabi Hazair und dem jüdischen Sportverein Bar Kochba an.
Der Vater ist allerdings schon früh gestorben. Um die Familie zu ernähren, bot die Mutter den Studenten des in der Nachbarschaft gelegenen jüdisch-theologischen Seminars einen koscheren Mittagstisch an. Als diese Einnahmequelle wenige Zeit nach der Machtübernahme durch die Nazis wegfiel, unterstützte ein Onkel die Familie. Der Regenmantelfabrikant Julius Frischler war nach dem Tod von Leo Frischler auch als Vormund der drei Jungs eingesetzt geworden.
Am Morgen nach der Pogromnacht vom 9. November 1938 wurden Heinz und Erich Frischler von der Gestapo verhaftet und im KZ Buchenwald interniert. Beide mussten sie im Steinbruch schuften. Anfang Januar 1939 kamen sie nur frei unter der Zusicherung, baldmöglich zu emigrieren. Mitte Mai 1939 begannen sie darum im jüdischen Hachschara-Lager Gut Winkel bei Spreenhagen eine landwirtschaftliche Ausbildung. In dieser Einrichtung sollten junge Juden auf ihre spätere Auswanderung nach Palästina vorbereitet werden.
Im Herbst 1940 gab es für Heinz und Erich Frischler eine Gelegenheit, in einer kleinen Gruppe von Chaluzim aus dem Land geschleust zu werden und illegal in Palästina an land zu gehen. Heinz indes verzichtete, weil er auf Gut Winkel die knapp vier Jahre jüngere Ruth Scheidel kennengelernt und geheiratet hatte. Sie war noch zu kurz in der Ausbildung und hatte anderen den Vortritt lassen müssen. Erich (später: Menachem) Frischler gelang das Abenteuer und überlebte darum die Shoah. Er ist am 9. November 2001 in Rechavot gestorben.
Im Juni 1941 beschlagnahmten die Nazis Gut Winkel. Dessen Bewohner mussten fortan auf Gut Neuendorf Zwangsarbeit verrichten. Das Ehepaar Frischler befand sich zu diesem Zeitpunkt wieder in Breslau, wo Heinz erst in einer Ziegelei, dann in einem Altpapierlager arbeitete. Zum 1. April 1941 mussten sie das Haus verlassen, in dem sie wohnten und in eine beengte Wohnung ziehen. Für die hochschwangere Ruth eine besondere Beschwernis. Am 8. Mai 1941 wurde Denny Eli geboren. Tags darauf schreib Hein einem Freund nach Berlin: "Du kannst Dir nicht vorstellen wie glücklich wir sind."
Am 5. März 1943 wurde die junge Familie von Breslau ins KZ Auschwitz deportiert. Am 6. März 1943 kamen mit diesem Transport 1405 jüdische Frauen, Männer und Kinder dort an. An der Rampe wurden 406 Männer und 190 Frauen als Häftlinge ins Lager geschickt - darunter Heinz Frischler, dem die SS die Nummer 106894 auf den linken Unterarm tätowieren ließ. Die übrigen 809 Personen - ebenso seine Frau Ruth und sein noch nicht ganz zweijähriges Söhnchen - wurden sofort in die Gaskammer getrieben und umgebracht. Sein jüngster Bruder Werner ist mit dem selben Transport nach Auschwitz gekommen (KZ-Nummer 106895) und hat das Lager überlebt. Auf dem Todesmarsch erreichte er das KZ Buchenwald, wo er - wenige Wochen nach der Befreiung des Lagers - am 14. Mai 1945 gestorben ist.
Heinz war vor ihm ums Leben gekommen. Nach einer Selektion Im Stammlager Auschwitz im Juni 1943 durch die SS-Anthropologen Bruno Beger und Hans Fleischhacker wurde der 23-Jährige am 30. Juli 1943 mit weiteren 85 Jüdinnen und Juden ins KZ Natzweiler-Struthof gebracht und dort am 18. August 1943 in der Gaskammer ermordet.
Ergänzende biografische Angaben verdanke ich Nurit Ronen, einer Nichte von Heinz Frischler, sowie einem Interview, das ihr Vater, Menachem (Erich) Frischler, 1997 gegeben hat.
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Heinz Frischler
Heinz Frischler (rechts) mit seiner Frau Ruth und seinem Bruder Erich im Jahr 1939 auf Gut Winkel.
Heinz Frischler (links) mit seinen Brüdern Werner (Mitte) und Erich
Fotos: Sammlung Familie Frischler
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G
Benjamin Geger · Fajsch Gichman · Brandel Grub
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Benjamin Geger
Geburtsdatum und polnischer Geburtsort konnten nicht ermittelt werden. Laut Autopsieprotokoll war er zu seinem Todeszeitpunkt etwa 30 Jahre alt. Gegers letzter Aufenthaltsort vor der Deportation ist das Ghetto in Pružany/Polen. Von dort wurde er mit anderen Ghetto-Bewohnern nach Oranczyce/ Polen verschleppt und am 30. Januar 1943 ins KZ Auschwitz deportiert. Am 31. Januar 1943 kamen mit diesem Transport 2834 Juden, darunter 230 Kinder unter vier Jahren und 520 Kinder im Alter von vier bis zehn Jahren, an. An der Rampe wurden 313 Männer und 180 Frauen als Häftlinge ins Lager geschickt - darunter Benjamin GHeger, dem die SS die Nummer 98868 auf den linken Unterarm tätowieren ließ. Die übrigen 2341 Personen, darunter 750 Kinder, wurden sofort in die Gaskammer getrieben und umgebracht. Geger wurde am 13. April 1943 in Block 21, das Häftlingskrankenhaus, zu einer Operation eines Geschwürs eingewiesen. Nach einer Selektion durch die SS-Anthropologen Bruno Beger und Hans Fleischhacker im Juni 1943 wurde Benjamin Geger am 30. Juli 1943 mit weiteren 85 Jüdinnen und Juden ins KZ Natzweiler-Struthof gebracht und dort am 16. August 1943 in der Gaskammer ermordet.
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Fajsch Gichman
Geburtsdatum und polnischer Geburtsort konnten nicht ermittelt werden. Laut Autopsieprotokoll war er zu seinem Todeszeitpunkt etwa 40 Jahre alt. Sein letzter Aufenthaltsort vor der Deportation war entweder das Ghetto in Volkovysk oder in Pružany. Von dort wird er mit anderen Ghetto-Bewohnern nach Oranczyce/Polen verschleppt und am 29. Januar 1943 ins KZ nach Auschwitz deportiert. Am 30. Januar 1943 kommen mit diesem Transport 2612 jüdische Männer und Frauen und 518 Kinder im Alter bis zu zehn Jahren an. An der Rampe wurden 327 Männer und 275 Frauen als Häftlinge ins Lager geschickt - darunter Fajsch Gichman, dem die SS die Nummer 97928 auf den linken Unterarm tätowieren ließ. Die übrigen 2010 Personen, darunter 518 Kinder, wurden sofort in die Gaskammer getrieben und umgebracht. 30. Juli 1943 Deportation ins KZ Natzweiler-Struthof. Nach einer Selektion durch die SS-Anthropologen Bruno Beger und Hans Fleischhacker im Juni 1943 wurde Fajsch Gichman am 30. Juli 1943 mit weiteren 85 Jüdinnen und Juden ins KZ Natzweiler-Struthof gebracht und dort am 16. August 1943 in der Gaskammer ermordet.
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Brandel Grub geb. Rozen
Geboren am 29. September 1922 in Düsseldorf (dort im Geburtsregister unter dem Namen Rosen eingetragen; in der Deportationsliste Mechelen-Auschwitz steht als Geburtsname Kempner; ihre Eltern waren zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht verheiratet). Sie war Tochter von Maria Kempner (siehe dort). Ihre Mutter wohnte schon in Lüttich, als ihre Tochter noch in Düsseldorf gemeldet war. Ein Abmeldedatum enthält die Meldekartei nicht, offenbar hat man vergessen sie auszutragen. Laut belgischen Unterlagen kam Brandel Grub offiziell erst 1942 dort an.
Tatsächlich besuchte Brandel Grub in den 1930er Jahren die Berufsschule in Brüssel und erlernte den Beruf einer Schneiderin. Sie heiratete am 31. Oktober 1940 in Grivigné den Krawattenfabrikanten Abram Josek Grub (geboren am 18. Juli 1911 in Drobin, 1929 aus Polen nach Belgien emigriert). Statt in ihrem erlernten Beruf arbeitete sie vom 16. Juli 1942 an - zwangsvepflichtet - in der staatlichen Waffenfabrik in Herstal. Zwei Wochen später erhielt ihr Mann wie Dutzende andere Juden aus der Region, eine Vorladung des örtlichen Arbeitsamts Lüttich,die zur Einweisung in ein Arbeitslager der Organisation Todt führte. Als Ende Oktober 1942 dort alle ausländischen Juden abgeholt wurden, zählte er mit seinem Schwiegervater Moszek Kempner und dessen Schwager Alter Jacob Rozen zu den mutigen Männern, die bei ihrer Deportation nach Auschwitz unmittelbar vor der deutschen Grenze aus dem Transportzug ausbrechen konnten. Sie konnten sich zunächst nach Lüttich durchschlagen und dann in der Nähe untertauchen. Doch lange währte die Freude nicht.
Brandel Grub wurde Mitte April 1943 bei einer Razzia ebenso im Versteck aufgespürt wie ihr Mann, ihre Mutter und ihr Onkel, der Fotograf Alter Jacob Rozen. Auf dem Weg ins Sammellager nach Mechelen kann sie noch eine Nachricht an ihren Vater schmuggeln und ihn über die Lage informieren. Am 19. April 1943 wurden die vier im 20. Transportzug aus Mechelen nach Auschwitz deportiert, der in einer kühnen Aktion von drei jungen Resistancekämpfern angegriffen wurde. Wieder war Brandels Ehemann bei denen, die aus dem Zug flüchten konnten. Doch diesmal wurde er gleich darauf gefasst und mit dem nächsten und letzten Transport aus Mechelen am 31. Juli 1943 nach Auschwitz deportiert. Am 22. April 1943 kamen mit dem 20. Transport aus Mechelen 507 Männer, 121 Jungen, 631 Frauen und 141 Mädchen, allesamt Juden, in Auschwitz an. An der Rampe wurden 276 Männer und 245 Frauen als Häftlinge ins Lager geschickt, die übrigen 879 Personen wurden sofort in die Gaskammer getrieben und umgebracht.
Nach einer Selektion durch die SS-Anthropologen Bruno Beger und Hans Fleischhacker im Juni 1943 wurde Brandel Grub mit ihrer Mutter am 30. Juli 1943 mit weiteren 84 Jüdinnen und Juden ins KZ Natzweiler-Struthof gebracht und dort am 11. August 1943 - bei gleicher Gelegenheit - in der Gaskammer ermordet. (Dank eines Hinweises in Fritz Lettows Erinnerungen können bei ihr und ihrer Mutter die Todesdaten exakt datiert werden).
Ergänzende biographische Angaben verdanke ich Dr. Thierry Rozenblum, Rom
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Brandel Grub
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H
Hugo Haarzopf · Charles Hassan · Alfred Hayum · Rudolf Herrmann · Jacob Herschfeld
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Hugo Haarzopf
Geboren am 20. August 1896 in Grätz, damals Provinz Posen und seit 1920 Grodzisk/Polen. Louis Haarzopf, Hugos Vater, starb gegen Ende des 1. Weltkriegs noch in Grätz, seine Witwe siedelte mit ihren erwachsenen Kindern nach Berlin.
Im 1. Weltkrieg war Hugo Haarzopf Soldat und hatte bei Gefechten eine schwere Gesichtsverletzung davongetragen. In der Nachkriegszeit machte er sich als Textilkaufmann selbstständig und führte mit einem Kompagnon eine Firma, die Textilien aus den Niederlanden importierte. Um das Jahr 1930/31 heiratete er die in der einst westpreußischen Stadt Graudenz geborene Paula Jacob. Die knapp elf Jahre jüngere Frau soll auffallend gut ausgesehen haben. Haarzopfs Nichte Anneliese Klawonn: „Wir dachten damals, sie sei vielleicht zu schön für ihn und dass sie ihn wegen der materiellen Sicherheit geheiratet habe.“ Am 28. März 1933 kam Eva zur Welt, die Tochter der Haarzopfs. Anneliese Klawonn: „Ich erinnere mich noch, als sie mich vor dem Haus erwartete, ein weißes Kleidchen anhatte und darauf den Judenstern.“ Die Schikanen nahmen in der Nazizeit immer mehr zu, doch konnte Hugo Haarzopf seinen Betrieb noch bis 1938 halten. Danach kaufte er acht Kurbelstickmaschinen und eröffnete in einem Zimmer seiner großen Wohnung in der Schönhauser Allee 41 eine Schneiderei, in der er mit seinen beiden Schwestern Julie und Paula, seiner Mutter und seiner Frau Morgenröcke herstellte. Die Wohnung befand sich in der ersten Etage.
Martha Joachimsthal, Hugo Haarzopfs jüngste Schwester, war zu dieser Zeit mit ihrem Mann über Paris und Uruguay bereits in Argentinien angelangt. In der Meinung, dass ihm als ehemaligem Kriegsteilnehmer nichts passieren könnte, schob Haarzopf eine Ausreise vor sich her, bis sie nicht mehr möglich war. Seine Schwester Julie Lehmann, die mit einem Protestanten verheiratet war, unternahm unter dem Eindruck der politischen Entwicklung zwei Suizidversuche, an deren Folgen sie am 29. Januar 1941 starb. Kurz danach wurde Hugo Haarzopf bei Siemens zu Zwangsarbeit verpflichtet. Im Frühsommer 1942 verhaftete die Gestapo seine Schwester Paula und seine Mutter und brachte sie ins Abschiebelager in der Großen Hamburger Straße. Seine Mutter – Ulrike Haarzopf geb. Himmelweit – wurde am 27. August 1942 ins KZ Theresienstadt deportiert, wo sie am 2. Oktober 1942 ums Leben kam. Und am 13. September 1942 wurde seine Schwester Paula in KZ Majdanek deportiert und dort ermordet.
Hugo Haarzopf blieb nur noch eine kurze Frist. Am 16. Februar 1943 verhaftete die Gestapo ihn, seine Frau und seine Tochter bei einer nächtlichen Razzia, ebenso wie Heinz Galinski (den späteren Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland) und dessen Frau Gisela, die damals wenige Häuser weiter in der Schönhauser Allee 31 wohnten. Am 26. Februar 1943 wurden die drei Haarzopfs im Zug mit über 900 Berliner Juden nach Auschwitz deportiert. Die 36-jährige Ehefrau und das neunjährige Töchterchen trieb die Lager-SS sofort in die Gaskammer, um sie zu töten. Die Lager-SS ließ Hugo Haarzopf die Nummer 104423 auf den linken Unterarm tätowieren und schickte ihn ins Außenlager Auschwitz-Monowitz geschickt. Dort musste er als Sklavenarbeiter für die Buna-Werke arbeiten.
Nach knapp zwei Monaten in Monowitz schickte ihn ein Arzt wegen eines Geschwürs am rechten Fuß zur Wundbehandlung ins Stammlager Auschwitz, wo eine Art Lazarett eingerichtet war. Weitere sieben Wochen später selektierten in diesem Block sowie in Block 10 zwei Anthropologen im Auftrag der SS-Wissenschaftsorganisation „Ahnenerbe“ jüdische Frauen und Männer für ein Vorhaben des Anatomie-Professors August Hirt, der an der Reichsuniversität Straßburg seinen Lehrstuhl hatte. Für künftige rassenbiologische Forschungen wollte Hirt eine Skelettsammlung von Juden aufbauen. Und weil er das Leben von KZ-Häftlingen ohnehin für „verwirkt“ ansah, wie er es einmal formulierte, hatte er keine Bedenken, sie nach der anthropologischen Vermessung ermorden zu lassen.
Hugo Haarzopf wurde als einer von 86 jüdischen Frauen und Männern am 30. Juli 1943 ins KZ Natzweiler-Struthof deportiert und dort am 16. oder 18. August 1943, kurz vor seinem 47. Geburtstag, in der Gaskammer ermordet.
Für Hinweise über das Leben ihres Onkels danke ich Anneliese Klawonn und Robert Lehmann, Berlin, sowie Rosemarie Fleischer, Buenos Aires.
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Hugo Haarzopf
Stolperstein in Berlin
Schönhauser Allee 41
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Charles Hassan
Geboren vermutlich in Thessaloniki (Griechenland). Sein Geburtsdatum ist nicht bekannt. Nach seiner Internierung durch die Gestapo im Ghetto Baron Hirsch in Thessaloniki wurde er am 28. April 1943 nach Auschwitz deportiert. Am 4. Mai 1943 kamen mit diesem Transport 2930 jüdische Frauen, Männer und Kinder dort an.
An der Rampe wurden 220 Männer und 318 Frauen ausgewählt und als Sklavenarbeiter ins Lager geschickt - darunter Charles Hassan, dem die Lager-SS die Nummer 119846 auf den linken Unterarm tätowieren ließ. Die übrigen 2392 Personen wurden in die Gaskammer getrieben und umgebracht. Nach einer Selektion durch die SS-Anthropologen Bruno Beger und Hans Fleischhacker wurde Charles Hassan als einer von 86 jüdischen Frauen und Männer am 30. Juli 1943 ins KZ Natzweiler-Struthof deportiert und am 16. oder 18. August 1943 in der Gaskammer ermordet.
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Alfred Hayum
Geboren am 22. Oktober 1903 als Sohn von Elias und Amalia Hayum in Kirf bei Trier. Alfred Hayum war das dritte von sieben Kindern: Johanna (geboren am 8. Februar 1901), Jakob (4. März 1902), Alfred, Siegfried (12. Mai 1905), Erna (18. Januar 1907), Walter (9. Juni 1909) und Max (10. September 1911). Von Beruf war Alfred Hayum Viehhändler.
Nach der Pogromnacht in Kirf verließ Alfred Hayum sein Elternhaus und zog nach Saarburg. Am 13. März 1939 wechselte er von Saarburg nach Trier (Metzelstraße 26), am 6. Juli 1939 nach Oberbettingen und von dort kehrte er am 25. Juli 1939 nach Trier zurück. Hier lebte er in der Saarstraße 3 mit seiner Mutter sowie seinen Brüdern Jakob und Siegfried. Ab 1941 waren die Brüder zu Zwangsarbeit für lokale Baufirmen verpflichtet und leisteten beispielsweise Bahnunterhaltungsarbeiten auf verschiedenen Bahnstrecken.
Am 1. März 1943 wurde Alfred Hayum zusammen mit seinen Geschwistern Jakob, Siegfried und Erna in einem Transport von Trier nach Auschwitz deportiert. Zwei Tage später kamen mit diesem Transport, in dem sich unter anderem auch Juden aus Stuttgart, Essen, Düsseldorf und Dortmund befanden, etwa 1500 jüdische Frauen, Männer und Kinder in Auschwitz an. (Dieser Transport fehlt in der Dokumentation von Danuta Czech). Hayum wurde an der Rampe ausgewählt, um im Lager Sklavenarbeit zu verrichten. Die Lager-SS ließ ihm am linken Unterarm die Nummer 105097 eintätowieren und schickte ihn zu den Buna-Werken im Außenlager Auschwitz-Monowitz. Am 31. März 1943 wurde er von dort wegen einer Darmentzündung ins Stammlager Auschwitz überwiesen und am 8. Mai 1943 in Block 21, dem Häftlingskrankenhaus, operiert. /p>
Nach einer Selektion durch die SS-Anthropologen Bruno Beger und Hans Fleischhacker wurde der 39-Jährige als einer von 86 jüdischen Frauen und Männer am 30. Juli 1943 ins KZ Natzweiler-Struthof deportiert und am 16.August 1943 in der Gaskammer ermordet. Fast die gesamte Familie wurde Opfer der Shoa. Nur die Brüder Michael und Max hatten sich mit ihren Frauen in die USA retten können.
Für Hinweise danke ich Alfred Hayums Nichte Ella Berenstein sowie Monika Metzler (Trier) und Günter Heidt (Saarburg).
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Rudolf Herrmann
Der Sohn von Kurt Herrmann und Elli Jacob wurde am 2. Januar 1924 in Berlin geboren. Mit seiner Familie wohnte er in Berlin-Charlottenburg in der Alexanderstraße 53. Über Rudolf Herrmanns Schul- und Berufsausbildung ist nichts bekannt. Seine Schwester Ingeborg (geboren am 25. August 1912 in Straussberg) konnte noch am 9. August 1941 in die USA emigrieren. Er selbst wurde am 3. Februar 1943 zusammen mit seinen Eltern von Berlin nach Auschwitz deportiert.
Am 4. Februar 1943 kamen mit diesem Transport 1000 jüdische Frauen, Männer und Kinder dort an. An der Rampe wurden 181 Männer und 106 Frauen ausgewählt und als Sklavenarbeiter ins Lager geschickt - so wie Rudolf Herrmann, dem die Lager-SS die Nummer 99973 auf den linken Unterarm tätowierte. Die übrigen 213 Personen - darunter Rudolf Herrmanns Eltern - wurden sofort in die Gaskammer getrieben und umgebracht. Der 19jährige Berliner zählte zu den 86 jüdischen Frauen und Männern, die nach einer Selektion in Auschwitz am 30. Juli 1943 ins KZ Natzweiler-Struthof deportiert wurden. Dort wurde er am 16. oder 18. August 1943 in der Gaskammer ermordet.
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Jacob Herschfeld
Geboren am 3. Mai 1897 in Będzin, 65 Kilometer nordwestlich von Krakau. Die Kleinstadt war damals ein wirtschaftliches und kulturelles Zentrum der Juden in Westpolen und auch in der großen Mehrzahl von Juden bewohnt. Jacob, zunächst noch Herszfeld mit Nachnamen, war das zweite von sieben Kindern von Dwojra Laja Welner und Salomon Laib Herszfeld, die beide im Jahr 1919 ums Leben kamen und in Bedzin auf dem Jüdischen Friedhof beerdigt wurden. 1922 kam Jacob Herschfeld aus Frankreich nach Heegermühle, wo bereits etliche Familienangehörigen von ihm lebten. Denkbar wäre, dass er im Ersten Weltkrieg Soldat war, in Gefangenschaft geriet und erst zu diesem späten Zeitpunkt entlassen wurde. In Eberswalde bei Berlin, nur wenige Kilometer von seinem neuen Wohnort entfernt, fand er zunächst Arbeit als Schlosser im Messingwerk Aron Hirsch AG. In den nächsten Jahren heiratete er die vier Jahre jüngere Berlinerin Alice Ehrlich, am 30. April 1925 kam in Berlin Tochter Gerda auf die Welt.
In den frühen 1930ern wohnte die Kleinfamilie in der Berliner Jablonskistraße 34 (Stadtteil Prenzlauer Berg), seit 1936 in Berlin-Mitte in der Michaelkirchstraße 24, im zweiten Hinterhof. Herschfeld arbeitete zuletzt als zwangsverpflichteter Schlosser für wöchentlich 31 Reichsmark in der Hedwigshütte in Treptow. Die Tochter wurde am 2. März 1943 vom Sammellager Levetzowstraße mit dem 32. Osttransport von Berlin nach Auschwitz deportiert und ermordet, Jacob und Alice folgten einen Tag nach ihrer Tochter mit dem 33. Osttransport nach Auschwitz. Am 4. März 1943 kamen mit letzterem Transport 632 jüdische Männer und 1118 jüdische Frauen und Mädchen dort an. An der Rampe wurden 517 Männer und 200 Frauen ausgewählt und als Sklavenarbeiter ins Lager geschickt - darunter Jacob Herschfeld, dem die Lager-SS die Nummer 105638 auf den linken Unterarm tätowieren ließ. Die übrigen 1033 Personen, dazu gehörte auch Alice Herschfeld, wurden sofort in die Gaskammer getrieben und ermordet. Jacob Herschfeld wurde für die Buna-Werke im Außenlager Auschwitz-Monowitz verpflichtet. Er erkrankte dort an einer Rippenfellentzündung und wurde deswegen am 16. April 1943 ins Krankenrevier des Stammlagers Auschwitz überwiesen. Als im Juni 1943 die beiden SS-Anthropologen Bruno Beger und Hans Fleischhacker Häftlinge für ihren Auftrag selektierten, gehörte Herschfeld zu den Ausgewählten. Am 30. Juli 1943 erfolgte die Deportation ins KZ Natzweiler-Struthof.
Jacob Herschfeld wurde am 18. August 1943 im Alter von 46 Jahren in der Gaskammer ermordet. Er war, wie weitere 85 jüdische Frauen und Männer, die in jenen Tagen dasselbe Schicksal erfasste, für eine jüdische Skelettsammlung vorgesehen. Sie wurde jedoch nie verwirklicht. Die konservierten Leichen sind nach dem Krieg auf dem Jüdischen Friedhof von Strasbourg-Cronenbourg beigesetzt worden.
Zum Andenken an das Ehepaar Herschfeld und seine Tochter Gerda ließ am 4. Juni 2004 Dr. Evelyn Grollke Stolpersteine an der Michaelkirchstraße 24 verlegen. Die Medizinerin hat auch die im ersten Abschnitt wiedergegebenen Lebensdaten recherchiert, die hier mit ihrer freundlichen Genehmigung übernommen wurden. Evelyn Grollke ist eine Cousine von Jacob Herschfeld.
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Stolperstein Berlin
Michaelkirchstraße 24
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I
Albert Isaac · Israel Isak
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Albert (Alberto) Isaac
Die Lagerregistratur in Auschwitz verzeichnete ihn mit deutschem Vornamen Albert. Geboren wurde Alberto Isaac zu einem nicht bekannten Zeitpunkt in Thessaloniki. Seine Eltern waren Eliau Isaac und Mathilde Rotches. Außer Alberto hatten sie noch einen Sohn Samuel und zwei Töchter Ester und Klara.
Die gesamte Familie wurde am 28. April 1943 von Thessaloniki nach Auschwitz deportiert. Am 4. Mai 1943 kamen mit diesem Transport 2930 jüdische Frauen, Männer und Kinder dort an. An der Rampe wurden 220 Männer und 318 Frauen als Häftlinge ausgewählt und als Zwangsarbeiter ins Lager geschickt - darunter Alberto Isaac, dem die Lager-SS die Nummer 119874 auf den linken Unterarm tätowieren ließ. Die übrigen 2392 Personen wurden sofort in die Gaskammer getrieben und umgebracht.
Nach einer Selektion durch die SS-Anthropologen Bruno Beger und Hans Fleischhacker im Juni 1943 wurde Albert Isaac am 30. Juli 1943 mit weiteren 85 Jüdinnen und Juden ins KZ Natzweiler-Struthof gebracht und dort am 16. oder 18. August 1943 in der Gaskammer ermordet.
Hinweise zur Familienbiographie verdanke ich dem Archiv der Jüdischen Gemeinde in Thessaloniki. Dort war mir Archivarin Aliki Arouh bei der Recherche behilflich.
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Israel Isak
Geboren wurde Israel Isak vermutlich in Thessaloniki, sein Geburtsdatum ist nicht bekannt. Nach seiner Internierung durch die Gestapo im Ghetto Baron Hirsch in Thessaloniki wurde er nach Auschwitz deportiert. Am 22. April 1943 kamen mit seinem Transport 2800 jüdische Frauen, Männer und Kinder dort an. An der Rampe wurden 255 Männer und 413 Frauen als Häftlinge ins Lager geschickt - darunter Israel Isak, dem die Lager-SS die Nummer 117295 auf den linken Unterarm tätowieren ließ. Die übrigen 2132 Personenwurden sofort in die Gaskammer getrieben und umgebracht.
Israel Isak wurde wegen eines Abszesses an einem nicht bekannten Datum (Dokument ist teilweise zerstört) vom Häftlingskrankenbau Buna ins Stammlager Auschwitz überwiesen. Nach einer Selektion durch die SS-Anthropologen Bruno Beger und Hans Fleischhacker im Juni 1943 wurde Israel Isak am 30. Juli 1943 mit weiteren 85 Jüdinnen und Juden ins KZ Natzweiler-Struthof gebracht und dort am 16. oder 18. August 1943 in der Gaskammer ermordet.
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K
Sabetaij Kapon · Maria Kempner geb. Rozen · Levie Khan · Elisabeth Klein geb. Thalheim · Jean Kotz · Paul Krotoschiner
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Sabetaij Kapon
Geboren vermutlich in Thessaloniki (Griechenland). Geburtsdatum nicht bekannt. Nach seiner Internierung durch die Gestapo im Ghetto Baron Hirsch in Thessaloniki wurde er am 28. April 1943 nach Auschwitz deportiert. Am 4. Mai 1943 kamen mit diesem Transport 2930 jüdische Frauen, Männer und Kinder dort an. An der Rampe wurden 220 Männer und 318 Frauen ausgewählt und als Sklavenarbeiter ins Lager geschickt - darunter Sabetaij Kapon, dem die Lager-SS die Nummer 119874 auf den linken Unterarm tätowieren ließ. Die übrigen 2332 Personen wurden sofort in die Gaskammer getrieben und umgebracht.
Nach einer Selektion durch die SS-Anthropologen Bruno Beger und Hans Fleischhacker im Juni 1943 wurde Sabetaij Kapon am 30. Juli 1943 mit weiteren 85 Jüdinnen und Juden ins KZ Natzweiler-Struthof gebracht und dort am 16. oder 18. August 1943 in der Gaskammer ermordet.
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Maria Kempner geb. Rozen
In der unweit von Łódź gelegenen Kreisstadt Pabianice ist Maria (Marjem) Rozen am 16. Februar 1891 auf die Welt gekommen. nach dem 1. Weltkrieg entschloss sich ihre Familie, aus Polen auszuwandern. Am 13. November 1919 kam sie in Düsseldorf an und und wohnte dort in der Lorettostraße 35 (die Einwohnermeldekartei schreibt den Namen »Rosen«). Am 27. März 1922 meldete sie sich ab nach Lüttich, brachte aber (so eine Eintrag beim Standesamt Düsseldorf-Mitte) am 29. September 1922 ihre Tochter >Brandel in Düsseldorf zur Welt. Sie heiratete am 30. Oktober in Lüttich Moszyk Kempner und wohnte in Grivegnée. Kempner arbeitete zunächst als Fotograf, dann gründete er mit seinen Brüdern Herz und Lajb eine kleine Firma zur Herstellung von Sprudel und Limonaden. Maria Kempner trug durch Hausierhandel mit Strickwaren zum Lebensunterhalt der Familie bei. Am 3. August 1942 wurde Moszek Kempner zusammen mit Dutzenden weiteren Juden aus der Region vom Office du Travail (Arbeitsamt) in ein Arbeitslager der Organisation Todt im Pas-de-Calais eingewiesen. Ende Oktober jenes Jahres holten die Deutschen dort alle ausländischen Juden ab, um sie unmittelbar danach via Mechelen nach Auschwitz zu deportieren. Moszek Kempner allerdings gelang es noch vor der deutschen Grenze, mit seinem Schwager Alter Jacob Rozen und seinem Schwiegersohn Abraham Grub, aus dem Transportzug auszubrechen und sich nach Lüttich durchzuschlagen. Für wenige Monate konnten sie sich in verschiedenen Häusern verbergen. Versteckt auf dem Dachboden eines Gebäudes in Lüttich entging Moszek Kempner Mitte April 1943 einer Razzia durch Hilfsbeamten der belgischen Sicherheitspolizei. Seine Frau hatte dieses Glück nicht. Am 17. April 1943 wurde sie mit ihrer Tochter und ihrem Bruder, dem Fotografen Alter Jacob Rozen, im SS-Sammellager Mechelen interniert und am 19. April 1943 mit dem Zug nach Auschwitz deportiert. Mit diesem 20. Transport kamen am 22. April 1943 genau 507 Männer, 121 Jungen, 631 Frauen und 141 Mädchen, allesamt Juden, dort an. An der Rampe wurden 276 Männer und 245 Frauen als Häftlinge ins Lager geschickt, die übrigen 879 Personen wurden sofort in die Gaskammer getrieben und umgebracht. Mit weiteren Frauen ihres Transports, darunter ihre Tochter, wurde die 52-Jährige in den Block 10 des Stammlagers Auschwitz eingewiesen. Nach einer Selektion durch die SS-Anthropologen Bruno Beger und Hans Fleischhacker erfolgte zusammen mit weiteren 85 jüdischen Frauen und Männern am 30. Juli 1943 die Deportation ins KZ Natzweiler-Struthof. Sie alle wurden an vier Tagen im August 1943 in der Gaskammer ermordet. Maria Kempners Todesdatum war der 11. August 1943. Ihr Mann dagegen hat die Shoah überlebt.
Einzelheiten über das Schicksal der Familie Kempner-Rozen-Grub verdanke ich den Recherchen von Dr. Thierry Rozenblum, Rom. Aufgrund eines Hinweises in Fritz Lettows Erinnerungen können bei Maria Kempner und ihrer Tochter die Todesdaten exakt datiert werden.
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Maria Kempner
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Levie Khan
Geboren am 25. Mai 1922 in Brunssum/Niederlande. Seine Eltern waren Barend Khan (* 25. November 1885 in Hoogeveen) und Marrigje geb. Meyer (* 7. Januar 1901 in Geldeermalsen). Im März 1923 zog die Familie nach Sittard, wo am 18. Juli 1924 Levies Schwester Henriette geboren wurde. Levie (später auch: Levei) lebte fortan in Heerlen (bei den Großeltern?), seine Familie zog im Juli 1925 nach Geleen, heute ein Teil von Sittard. Hier war Barend Khan als Bergarbeiter beschäftigt. Weitere Lebensumstände sind nicht bekannt.
Levie Khans Eltern und seine Schwester wurden am 5. November 1942 nach Auschwitz deportiert und ermordet. Ihn selbst internierte die Gestapo zunächst im Sammellager Westerbork, von wo er nach Auschwitz deportiert wurde. Am 25. Februar 1943 kamen mit diesem Transport 1101 jüdische Männer, Frauen und Kinder dort an. An der Rampe wurden 57 Männer und 30 Frauen ausgewählt und als Sklavenarbeiter ins Lager geschickt - darunter Levie Khan, dem die Lager-SS die Nummer 104058 auf den linken Unterarm tätowieren ließ. Die übrigen 1014 wurden sofort in die Gaskammer getrieben und umgebracht. Levie Khan wurde nach einer Selektion durch die SS-Anthropologen Bruno Beger und Hans Fleischhacker am 30. Juli 1943 mit 85 weiteren jüdischen Frauen und Männern ins KZ Natzweiler-Struthof deportiert und dort am 16. oder 18. August 1943 ebenfalls in der Gaskammer ermordet.
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Elisabeth Klein geb. Thalheim
Es war die Zeit, in der die Männer statt Zigaretten eher Pfeife oder Zigarren rauchten, als Elisabeth Thalheim am 29. Mai 1901 im Wiener Bezirk Währing geboren wurde. Saul Thalheim, ihr Vater, ein gelernter Drechsler, hatte sich als Meerschaumdrechsler für Tabakspfeifen spezialisiert und betrieb ein Geschäft für Meerschaumpfeifen. Über drei Jahrzehnte lang führte er, ehe der Faschismus auch Österreich erfasste, das rechtschaffene Leben eines konservativen kleinbürgerlichen Kaufmanns, zu Zeiten der Monarchie treu dem österreich-ungarischen Kaiser ergeben – und hinterher ihm nachtrauernd. Verheiratet war er mit Karoline Kohn. Elisabeths jüngerer Bruder Max zog schon mit 18 für ein paar Jahre nach Belgien, kehrte wieder in die Heimat zurück, packte aber nach dem austrofaschistischen Putsch 1934 in Österreich endgültig sein Bündel und wanderte zusammen mit seiner Frau nach Rhodesien aus.
Die Tochter der Thalheims war durchaus weltoffen, hatte aber als Frau weniger Möglichkeiten sich zu entfalten. Sie durfte die Handelsschule besuchen, sollte aber möglichst schnell unter die Haube kommen. Sie heiratete im Januar 1924 Kalman Klein, einen zehn Jahre älteren Glaser aus Ungarn, der alles andere als ein Anhänger der Krone war. Er hatte mit den Kommunisten für die ungarische Revolution gekämpft und war nach dem Scheitern der Revolution nach Wien geflohen. Großzügig half Saul Thalheim seiner Tochter und seinem Schwiegersohn beim Aufbau einer Existenz, indem er dem jungen Paar die Einrichtung einer Eisen- und Geschirrwarenhandlung in Ottakring finanzierte.
Am 3. Dezember 1924 kam Nelly zur Welt, das einzige Kind des jungen Paars. Sie schildert ihre Mutter als eine Naturliebhaberin mit großem Interesse an Kultur. „Meine Mutter liebte die Oper. Ebenso die Lyrik.“ Sie zeichnete, las, fertigte Handarbeiten. „Sie hatte ein paar intellektuelle Neigungen und eine Menge manuelle. Aber irgendwie blieb vieles im Keime stecken, so wie das bei vielen Frauen in diesen Jahren war.“
So lebte man denn sein Leben, heiligte den Sonntag und nicht den Sabbat, denn dem Judentum stand man kaum mehr nahe. Werktags ging man seinen Geschäften nach, auch Elisabeth Klein stand mit im Laden. Der Tochter Nelly blieb es zeitlebens ein Rätsel, wie sehr ihr Vater, der politisierte Zeitgenosse, die Vorzeichen der nahenden Katastrophe verharmloste. An Warnungen hat es nicht gefehlt, doch sie wurden in den Wind geschlagen. Niemand vermochte sich auszumalen, was anständigen, ehrlichen Leuten passieren konnte. Bis dann, irgendwann nach der Kristallnacht, Koloman Klein von der Gestapo abgeholt wurde, ihm und anderen Juden Zahnbürsten in die Hände gedrückt wurden und sie auf Knien damit den Bürgersteig reinigen mussten. Tochter Nelly Klein ist sich ziemlich sicher: »Ich glaube, an diesem Tag haben meine Eltern den Glauben an die Menschheit verloren.«
Vergeblich versuchten die Kleins 1938 und 1939, in ein Land in Übersee zu gelangen. Beide Geschäfte, das der Thalheims und das der Kleins, wurden „arisiert“. Nicht viel war noch geblieben, um die Bahnfahrt nach Aachen zu finanzieren und einen Schlepper, der sie in der Nacht vom 29. auf 30. August 1939 illegal über die belgische Grenze brachte. Dort ließen sie sich in Brüssel nieder. Der Familie Klein-Thalheim versetzte bereits der 10. Mai 1940 den ersten tiefen Schock seit ihrer Ankunft in Brüssel. An jenem Tag des Einmarsches der Wehrmacht mussten sich deutsche und österreichische Emigranten im Polizeikommissariat, angeblich zur Überprüfung ihrer Papiere, melden. Die Männer im Alter von 17 bis 60 Jahren wurden verhaftet und nach Vichy-Frankreich abgeschoben. Kalman Klein kam in mehrere Internierungslager, zuletzt nach Drancy, von wo er am 17. August 1942 mit 29 weiteren Österreichern nach Auschwitz deportiert wurde. Es war ein Transport mit 997 Personen, darunter mehr als die Hälfte Kinder, die zuvor von ihren Eltern getrennt worden waren. 282 Mädchen und Jungen waren zwischen zwei und neun Jahre alt – alle wurden vergast. Nur 100 Erwachsene dieses Transports kamen ins Lager, von ihnen überlebten drei.
Unter dem Zwang der Verhältnisse mussten Elisabeth Klein und ihre Tochter getrennte Wege gehen. Elisabeth Klein fand Arbeit als Putzfrau und Gouvernante einer alten Baronin, ihre Tochter Nelly schloss sich dem Widerstand an. Zu jener Gruppe junger jüdischer Widerständler, an die sich Nelly Sturm noch gut erinnern kann, gehörte auch Régine Krochmal. Die vier Jahre ältere Aktivistin, geboren in den Niederlanden und aufgewachsen in Belgien, war von Beruf Krankenschwester. Régine Krochmal wurde am 27. Januar 1943 verhaftet und zu der nach dem General Dossin benannten Infanteriekaserne in Mechelen gebracht, zwei Wochen vor Elisabeth Klein.
Tag für Tag fuhren Lastwagen vor, die weitere Verhaftete im Innenhof der Kaserne abluden. Über zwei Monate verbrachte Elisabeth Klein in dieser Wartestation von Auschwitz. Der Abfahrtstermin für den nächsten Zug nach Auschwitz hatte sich wegen fehlender Transportmittel verzögert. In der langen Zeit des Wartens gelang es einer konspirativen Gruppe von Leuten mit Fluchtgedanken, scharfe Klingen, Nägel, Zangen, ja sogar Sägeblätter beiseite zu schaffen. Am Nachmittag des 18. April schließlich verkündete die Lagerverwaltung die Abfahrt des Zuges für den nächsten Tag, als Ziel wurde ein „Arbeitslager im Osten“ genannt. Und weil man Bedenken hatte, es könnte nicht alles reibungslos ablaufen, wurden alle Internierten zu einer Generalprobe in den Kasernenhof befohlen. In der Nacht verfasste Elisabeth Klein noch einen Abschiedsgruß: „Meine Liebsten, teile Euch mit, dass ich gesund und munter bin und voll Courage. Seid auch Ihr guten Mutes, lebet ruhig weiter, und macht Euch wegen mir absolut keine Sorgen. Liebste Rose [der Kosename für ihre Tochter], sei niemals nervös, wir werden wiederkehren. Und Du weine nicht, meine einzige Rolla [der Kosename für ihre Mutter Karola]. Deine Else ist mutiger, als Du glaubst. Auf Wiedersehen, meine Teuren, es küsst Euch tausendmal Eure Else.“
1631 Juden, darunter 262 Kinder, warteten am folgenden Tag in der Dossin-Kaserne auf ihren Abtransport. Jene mit den Nummern 1 bis 100 mussten um acht Uhr als Erste zur Abfertigung antreten. Bis um 22 Uhr dauerte es, ehe sich der Zug in Bewegung setzte. Nach den vorangegangenen 19 Personenzügen hatte das Reichssicherheitshauptamt erstmals einen Güterzug mit geschlossenen Güterwaggons bereitgestellt. Teils schon tagsüber vor der Abfahrt, teils erst unterwegs begann in zahlreichen Waggons ein heimliches Sägen und vorsichtiges Bohren, Gitterstäbe wurden gelockert und Seitenwände gelöchert.
Der Zug ruckelt durch die Nacht, bis plötzlich Schüsse peitschten. Auf freier Strecke, inmitten eines Waldstücks hinter Brüssel, war es einer Gruppe von Widerständlern gelungen, den Zug zum Stehen zu bringen und an einigen Schiebetüren der Waggons die Verriegelungen aufzuzwicken. Jeder der Ausbruchwilligen musste die Entscheidung für sich allein treffen. Sollte er das kurzzeitige Durcheinander zum Absprung nutzen oder besser noch abwarten? In diesen wenigen Minuten, aber auch noch auf dem Weg bis zur deutschen Grenze gelang es 231 Deportierten, sich aus den Waggons zu befreien. 23 Juden starben bei dem Fluchtversuch unter dem Kugelhagel der begleitenden Polizisten oder durch einen unglücklichen Sturz auf die Gleise.
Was wäre geschehen, wenn sich auch vor Elisabeth Klein die Schiebetüre geöffnet hätte? Hätte sie eine Chance gehabt? Der 20.Transport aus Mechelen traf am 22. April 1943 in Auschwitz ein. Von den 1400 verbliebenen Deportierten wurden 879 sofort in den Gaskammern getötet. 276 Männer und 245 Frauen wurden als Häftlinge ins Lager gebracht und dort in den Block 10 eingewiesen. 112 wurden dortbehalten, darunter auch Elisabeth Klein. Die übrigen wurden in Arbeitskommandos nach Birkenau geschickt.
Elisabeth Klein und aus ihrem Transport noch Brandel Grub, Maria Kempner, Jeanette Passmann und Marie Sainderichin wurden im Juni 1943 von den Anthropologen Beger und Fleischhacker für ihr Mordprojekt ausgesucht, ins KZ Natzweiler-Struthof deportiert und mit 85 weiteren Leidensgenossen in der Gaskammer erstickt. Ihr Todestag war der 11. August 1943, sie war 42 Jahre alt.
Bei den Recherchen für diese Biographie war mir Nelly Sturm behilflich, die Tochter von Elisabeth Klein. Sie starb im Alter von 92 Jahren am 9. März 2017 in Berlin.
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Elisabeth Klein
Elisabeth Klein
Erinnerungsplakette in Wien
Ottakringer Straße 35
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Jean Kotz
Geboren am 9. Februar 1912 in Paris als Sohn von Lucie Kotz geb. Grin, die aus der polnischen Stadt Piotrków nach Frankreich eingewandert war. Jean Kotz war von Beruf Kaufmann und lebte in Paris in der Rue de Lancry, Hausnummer 6. Seine Schwester Renée (geboren am 9. Februar 1915 in Paris (geboren am 25. Januar 1884), offenbar ledig, hatte eine Tochter Alexandre (geboren am 27. Januar 1935), über deren weiteres Schicksal nichts bekannt ist.
Jean Kotz wurde am 22. August 1942 in Autun/Frankreich verhaftet, weil er keinen Judenstern getragen hatte. Er wurde ins Sammellager Drancy gebracht und am 26. März 1943 einem Transport nach Sobor zugewiesen. Mit 17 anderen Gefangenen gelang es ihm jedoch, bei Darmstadt aus dem Zug zu entkommen. Er wurde aber aufgegriffen und am 19. April 1943 mit seinen Leidensgenossen mit einem Transport aus Frankfurt/Main nach Auschwitz gebracht. Dort ließ im die Lager-SS die Nummer 119628 auf den linken Unterarm tätowieren. Jean Kotz wurde am 4. Mai 1943 in Block 21, dem Häftlingskrankenhaus im Stammlager, am Blinddarm operiert.
Etwa fünf Wochen später fiel er den beiden SS-Anthropologen Bruno Beger und Hans Fleischhacker auf, nach deren Auswahl 86 jüdische Frauen und Männer am 30. Juli 1943 ins KZ Natzweiler-Struthof deportiert wurden. Dort wurde der 31-Jährige am 16. oder 18. August 1943 in der Gaskammer ermordet.
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Jean Kotz
Collection Raphael Toledano
Paris, Rue de Lancry
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Paul Krotoschiner
Geboren am 13. Mai 1894 in Berlin. Verheiratet mit Margarete geb. Hausen (geboren am 23. Oktober 1897 in Lissa/Posen) und von Beruf Elektrotechniker. Tochter Hildegard geboren am 28. November 1923 in Berlin), ledige Arbeiterin, wohnte noch bis kurz vor der Deportation in einem möblierten Zimmer bei den Eltern in Berlin-Mitte, Seydelstraße 5. Das Ehepaar Krotoschiner wurde am 2. März 1943 nach Auschwitz deportiert, die Tochter einen Tag später. Am 3. März 1943 kamen mit diesem Transport etwa 1500 jüdische Frauen, Männer und Kinder dort an. An der Rampe wurden 535 Männer und 145 Frauen ausgewählt und als Sklavenarbeiter ins Lager geschickt - darunter Paul Krotoschiner, dem die Lager-SS die Nummer 105203 auf den linken Unterarm tätowieren ließ. Die übrigen vermutlich 820 Personen wurden sofort in die Gaskammer getrieben und umgebracht.
Weder Margarete noch Hildegard Krotoschiner überlebten Auschwitz. Paul Krotoschiner wurde zunächst zu Sklavenarbeit nach Auschwitz-Buna geschickt, aber bereits am 14. April 1943 mit einer Tumor-Diagnose ins Häftlingskrankenhaus (Block 21) des Stammlagers Auschwitz überwiesen. Dort operierte man ihn am 16. April 1943 - allerdings an einem Leistenbruch. Nicht ganz zwei Monate später befand sich Paul Krotoschiner immer noch in Block 21. Als die SS-Anthropologen Bruno Beger und Hans Fleischhacker jüdische Frauen und Männer selektierten, zählte er zu den Opfern, die am 30. Juli 1943 ins KZ Natzweiler-Struthof deportiert wurden. Dort wurde der 49-Jährige am 18. August 1943 in der Gaskammer ermordet.
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Else Leibholz geb. Seelig · Kurt Levy · Ichay Litchi
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Else Leibholz geb. Seelig
Das Dorf Glowitz (heute: Glowczyce/Polen, in dem Else Seelig am 20. Juli 1889 geboren wurde, galt früher als Mittelpunkt der Kaschubei und hieß im Volksmund „Kaschubsch Jerusalem“.Hier lebten also noch viele Juden, als die Tochter von Leo und Maria Seelig vor dem Ersten Weltkrieg dort aufwuchs. Ihr Vater betrieb im Ort eine Glas-, Porzellan-, Manufaktur- und Kurzwarenhandlung. Am 18. Mai 1918 heiratete Else den Fleischermeister Alfred Leibholz (* 4. Dezember 1887 in Schlawe/Pommern). Vier Kinder kamen auf die Welt, alle noch in Glowitz: Marianne (* 26. April 1921), Walter (* 20. September 1922), Lieselotte (* 16. November 1923) und Kurt (* 4. November 1927). Ein Neffe des Ehepaars Leibholz berichtete nach dem Krieg, wie sich die Lebensbedingungen in dem Dorf mit dem Machtantritt der Nazis veränderten. Sehr bald sei selbst den Schulkindern klar gewesen, dass die neuen politischen Verhältnisse keine vorübergehende Erscheinung waren. Fleischermeister Leibholz wurde kurze Zeit eingesperrt, weil er beim Skatabend im Dorfgasthaus etwas Despektierliches über Hitler geäußert hatte. Noch bis 1938/39 blieb die Familie Leibholz in Glowitz, dann siedelte sie nach Berlin, wohin Tochter Marianne im Jahr zuvor, aber auch noch andere Familienangehörige vorausgegangen waren. Unterkunft fanden die sechs Personen in einer Drei-Zimmer-Wohnung in der Levetzowstraße 13.
Die Familie Leibholz hatte nicht vor, in Berlin ansässig zu bleiben, stattdessen betrieb sie die Auswanderung nach Argentinien oder nach England. Alles vergeblich. Alfred Leibholz starb 1942 eines natürlichen Todes und wurde in Weißensee beerdigt. (Sein Grabstein ist noch erhalten) Walter wurde am 27. Februar 1943 von der Gestapo verhaftet und am 1. März nach Auschwitz deportiert. Marianne entging dem gleichen Schicksal nach eigener Auskunft, weil sie an diesem Tag Nachtschicht hatte. Am 4. März entkam sie ein zweites Mal der Deportation, diesmal zusammen mit der Mutter und den beiden anderen Geschwistern. Als Grund gab Marianne Leibholz nach dem Krieg in einem Lebenslauf an: "Da meine Schwester an Scharlach erkrankt war, sind die Gestapobeamten infolge der Ansteckungsgefahr wieder gegangen und haben nur die Personalien von uns aufgenommen."
Else Leibholz wurde dann mit ihren Kindern Lieselotte und Kurt am 4. Mai 1943 in der Wohnung verhaftet und am 18. Mai von der Großen Hamburger Straße aus nach Auschwitz deportiert. Am 19. Mai 1943 kamen mit diesem Transport ungefähr 1000 jüdische Frauen, Männer und Kinder dort an. An der Rampe wurden 80 Männer und 115 Frauen ausgewählt und als Sklavenarbeiter ins Lager geschickt, darunter Elese Leibholz, der die Lager-SS die Nummer 45242 in den linken Unterarm tätowieren ließ. Die übrigen vermutlich 805 Personen wurden in die Gaskammer getrieben und umgebracht. Lieselotte und Kurt überlebten Auschwitz nicht, Marianne konnte erfolgreich erst in Berlin und dann in Eggersdorf untertauchen, wo sie 1972 gestorben ist. Else Leibholz wurde in Block 10 in Auschwitz von zwei Rassen-Anthropologen selektiert, am 30. Juli 1943 mit weiteren 85 jüdischen Frauen und Männern ins KZ Natzweiler-Struthof deportiert und dort am 11. oder 13. August 1943 in der Gaskammer ermordet. Sie wurde 54 Jahre alt.
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Antisemitisches Boykotttransparent in Glowitz, etwa 1933. (Bildarchiv Preußischer Kulturbesitz Berlin)
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Kurt Levy
Kurt Levy wurde am 5. Oktober 1925 in Berlin geboren. Sein Vater, Julius Levy, war nach dem 1. Weltkrieg aus dem westpreußischen Dorf Mlewo (* 19. April 1878) in die deutsche Hauptstadt übergesiedelt und hatte dort die Berlinerin Meta Lehmann (* 4. September 1893) geheiratet. Die Levys wohnten 1939 in Berlin-Mitte, Weinsbergweg 7. Bereits am 13. Juni 1942 wurde der Kaufmann Julius Levy aus der Familie gerissen, mit dem 15. Osttransport aus Berlin deportiert und im KZ Majdanek ermordet. Kurt Levy wurde bei der so genannten Fabrikaktion der Nazis verhaftet und am 1. März 1943 nach Auschwitz deportiert. Seine Mutter, die ihm tags darauf im nächsten Transportzug folgen musste, wurde von der SS sofort nach der Ankunft in der Gaskammer von Auschwitz ermordet.
Kurt Levy wurde als Sklavenarbeiter zu den Buna-Werken im Außenlager Auschwitz-Monowitz geschickt worden. Die Lager-SS ließ ihm dort die Nummer 104671 auf den linken Unterarm tätowieren. Zwei Wochen später, am 17. März 1943, überwies ihn ein Lagerarzt wegen einer Lungenentzündung ins Häftlingskrankenhaus im Stammlager Auschwitz (Block 21). Als die SS-Anthropologen Bruno Beger und Hans Fleischhacker jüdische Frauen und Männer selektierten, zählte er zu den Opfern, die am 30. Juli 1943 ins KZ Natzweiler-Struthof deportiert wurden. Dort wurde der 17-Jährige am 16. oder 18. August 1943 in der Gaskammer ermordet.
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Ichay Litchi
Geboren am 13. Juli 1911 in Thessaloniki (Griechenland). Mit Esthere Scialom, die er am 12. September 1929 in Thessaloniki heiratete, wanderte Ichay Litchi nach Frankreich aus. Dort kamen vier Kinder zur Welt: Albert (* 1931), Charles (* 1932), Arlette (* 1934) und Henri (* 10. August 1936). Ichay Litchi betrieb in Paris eine kleine Schusterwerkstatt in der Rue de l'Abbé Groult 65 (15. Arrondissement). Seine Frau starb am 24. Februar 1941 in einem Pariser Krankenhaus im Alter von 30 Jahren. Nach ihrem Tod gelang es ihm noch rechtzeitig, seine Kinder vor den Deutschen zu verstecken, beispielsweise die beiden jüngsten bei Bauern in dem Pyrenäen-Dörfchen Lanneplaà bei Orthez. Ichay Litchi wurde verhaftet, und während sich Kunden bei der Polizei über die verschlossene Werkstatt beschwerten, wohin sie ihre Schuhe zur Reperatur gegeben hatten, wurde er vom Sammellager Drancy nach Auschwitz deportiert. Am 11. Februar 1943 kamen mit diesem 46. Transport 1000 jüdische Frauen, Männer und Kinder dort an. An der Rampe wurden 77 Männer und 91 Frauen ausgewählt und als Sklavenarbeiter ins Lager geschickt - darunter Ichay Litchi, dem die Lager-SS die Nummer 101089 auf den linken Unterarm tätowieren ließ. Die übrigen 832 Personen wurden in die Gaskammer getrieben und umgebracht.
Zunächst musste Ichay Litchi im Buna-Werk von Auschwitz-Monowitz Sklavenarbeit verrichten, ehe er am 17. März 1943 im Häftlingskrankenhaus des Stammlagers Auschwitz (Block 21) einer Operation unterzogen wurde. Als die SS-Anthropologen Bruno Beger und Hans Fleischhacker jüdische Frauen und Männer selektierten, zählte er zu den Opfern, die am 30. Juli 1943 ins KZ Natzweiler-Struthof deportiert wurden. Dort wurde der 32-Jährige am 16. oder 18. August 1943 in der in der Gaskammer ermordet.
Einige Informationen verdanke ich Henri Litchi, dem jüngsten Sohn von Ichay Litchi.
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Ichay Litchi
Collection Raphael Toledano
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Michael Marcus · Maria Matalon · Abraham Matarasso · Lasas Menache · Katerina Mosche
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Michael Marcus (Markos)
Im KZ war er unter dem Namen Michael Marcus registriert. Geboren wurde Michael Markos im September 1897 in Thessaloniki als Sohn von Avraam Markos und Lea Pitchon. Er heiratete Ester Kuenka, 1938 kam ihr Sohn Alberto zur Welt.
Michael, Ester und Alberto Markos wurden im selben Transport wie Michaels verwitwete Mutter und seine Geschwister Leon, Ester und Moshe nach Auschwitz deportiert, wo sie am 17. April 1943 ankamen. In diesem Transport befanden sich etwa 3000 jüdische Frauen, Männer und Kinder, von denen vermutlich 2271 Personen sofort in die Gaskammer getrieben und umgebracht wurden. Michael Markos wurde mit insgesamt 467 Männern und 262 Frauen als Häftling ins Lager eingewiesen. Er musste im KZ-Außenlager Golleschau Sklavenarbeit verrichten. Dort ließ ihm die Lager-SS die Nummer 116126 auf den linken Unterarm tätowieren.
Nach einer Selektion durch die SS-Anthropologen Bruno Beger und Hans Fleischhacker am 30. Juli 1943 wurde der 45-Jährige mit 85 weiteren jüdischen Frauen und Männern ins KZ Natzweiler-Struthof deportiert und am 16. oder 18. August 1943 in der Gaskammer ermordet.
Aus der Markos-Familie überlebte nur Michels Bruder Moshe. Er emigrierte nach der Befreiung nach Israel.
Bei der biographischen Recherche unterstützte mich Aliki Arouh vom Archiv der Jüdischen Gemeinde in Thessaloniki.
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Maria Matalon
Geboren 1923 in Thessaloniki (Griechenland). Nach ihrer Internierung durch die Gestapo im Ghetto Baron Hirsch in Thessaloniki wurde sie nach Auschwitz deportiert. Am 25. März 1943 kamen mit diesem Transport 1901 jüdische Frauen, Männer und Kinder dort an. An der Rampe wurden 459 Männer und 236 Frauen als Häftlinge ins Lager geschickt, die übrigen 1206 Personen wurden sofort in die Gaskammer getrieben und umgebracht. Nach einer Selektion durch die SS-Anthropologen Bruno Beger und Hans Fleischhacker im Juni 1943 wurde die 20-Jährige am 30. Juli 1943 mit weiteren 85 Jüdinnen und Juden ins KZ Natzweiler-Struthof gebracht und dort am 11. oder 13. August 1943 in der Gaskammer ermordet.
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Abraham Matarasso
Geboren vermutlich in Thessaloniki (Griechenland). Sein Geburtsdatum ist nicht bekannt. Nach seiner Internierung durch die Gestapo im Ghetto Baron Hirsch in Thessaloniki wurde er am 15. März 1943 mit dem ersten Transport nach Auschwitz deportiert. Am 20. März 1943 kamen mit diesem Transport ungefähr 2800 jüdische Frauen, Männer und Kinder dort an. An der Rampe wurden 417 Männer und 192 Frauen als Häftlinge ins Lager geschickt - darunter Abraham Matarasso, dem die Lager-SS die Nummer 109597 auf den linken Unterarm tätowieren ließ. Die übrigen vermutlich 2191 Personen wurden wurden sofort in die Gaskammer getrieben und umgebracht. Matarasso wurde am 22. Mai 1943 in Block 21, dem Häftlingskrankenhaus des Stammlagers Auschwitz, operiert. Nach einer Selektion durch die SS-Anthropologen Bruno Beger und Hans Fleischhacker im Juni 1943 wurde Abraham Matarasso am 30. Juli 1943 mit weiteren 85 Jüdinnen und Juden ins KZ Natzweiler-Struthof gebracht und dort am 16. oder 18. August 1943 in der Gaskammer ermordet.
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Lazar Menashe (Lasas Menasche)
Geboren wurde Lazar Menashe 1903 in Thessaloniki (Griechenland) als Sohn von Recaula und Chaim Menashe. Lazar Menashe heiratete Beatrice Alaluf, 1938 kam ihr Sohn Chaim-Anri zur Welt. Am 28. April 1943 wurden Lazar, Beatrice und ihr Söhnchen zusammen mit weiteren Familienmitgliedern nach Auschwitz deportiert, wo der Transportzug am 4. Mai 1943 mit 2930 jüdische Frauen, Männern und Kindern ankam.
An der Rampe wurden 220 Männer und 318 Frauen ausgewählt und als Sklavenarbeiter ins Lager geschickt - darunter Lazar Menashe, dem die Lager-SS die Nummer 119927 auf den linken Unterarm tätowieren ließ. Die übrigen 2392 Personen wurden sofort in die Gaskammer getrieben und umgebracht. Der 40-Järige wurde nach einer Selektion im Stammlager von Auschwitz durch die SS-Anthropologen Bruno Beger und Hans Fleischhacker am 30. Juli 1943 mit 85 weiteren jüdischen Frauen und Männern ins KZ Natzweiler-Struthof deportiert und dort am 16. oder 18. August 1943 ebenfalls in der Gaskammer ermordet.
Vier von Lazar Menashes Geschwistern (Meir, Benuta, Rafael und Allegra) kamen in Auschwitz ums Leben, seine drei Schwestern Flora, Janna und Djulia überlebten ihn.
Auf einem aus Auschwitz überlieferten Dokument ist der Name als Lasas Menasche wiedergegeben. Lange Jahre war trotz intensiver Recherchen weiter nichts über die Identität von Lazar Menashe bekannt. Weil deshalb zwangsläufig die falsche Schreibweise auf dem Grabstein in Strasbourg und danach auf weiteren Erinnerungsmalen übernommen wurde, sei hier ausdrücklich darauf hingewiesen. Bei der biographischen Recherche unterstützte mich Aliki Arouh vom Archiv der Jüdischen Gemeinde in Thessaloniki.
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Katerina Mosche (Esterina Mosche)
Geboren 1928 in Thessaloniki (Griechenland). Nach ihrer Internierung durch die Gestapo im Ghetto Baron Hirsch in Thessaloniki wurde Katherina (in einem anderen Dokument heißt sie mit Vornamen Esterina) Mosche nach Auschwitz deportiert. Am 25. März 1943 kamen mit diesem Transport 1901 jüdische Frauen, Männer und Kinder dort an. An der Rampe wurden 459 Männer und 236 Frauen als Häftlinge ins Lager geschickt, die übrigen 1206 Personen wurden sofort in die Gaskammer getrieben und umgebracht. Nach einer Selektion durch die SS-Anthropologen Bruno Beger und Hans Fleischhacker im Juni 1943 wurde die 15-Jährige am 30. Juli 1943 mit weiteren 85 Jüdinnen und Juden ins KZ Natzweiler-Struthof gebracht und dort am 11. oder 13. August 1943 in der Gaskammer ermordet.
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Regina Nachman · Siniora Nachmias · Dario Nathan · Sarina Nissim
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Regina Nachman
Geboren geboren wurde sie 1923 in Thessaloniki (Griechenland) als Tochter von Yona Nachman und Palomba geb. Marash. Sie hatte fünf Geschwister: Yakov, Matika, Yosef, Mois und Berta. Überlebt hat nur Yosef (Pepo). Er ist nach Israel ausgewandert.
Nach ihrer Internierung durch die Gestapo im Ghetto Baron Hirsch in Thessaloniki wurde Regina Nachman nach Auschwitz deportiert. Am 25. März 1943 kamen mit diesem Transport 1901 jüdische Frauen, Männer und Kinder dort an. An der Rampe wurden 459 Männer und 236 Frauen als Häftlinge ins Lager geschickt, die übrigen 1206 Personen wurden sofort in die Gaskammer getrieben und umgebracht. Nach einer Selektion durch die SS-Anthropologen Bruno Beger und Hans Fleischhacker im Juni 1943 wurde die 20-Jährige am 30. Juli 1943 mit weiteren 85 Jüdinnen und Juden ins KZ Natzweiler-Struthof gebracht und dort am 11. oder 13. August 1943 in der Gaskammer ermordet.
Hinweise zur Familienbiographie verdanke ich dem Archiv der Jüdischen Gemeinde in Thessaloniki. Dort war mir Archivarin Aliki Arouh bei der Recherche behilflich.
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Siniora Nachmias
Geboren am 25. März 1926 in Thessaloniki/Griechenland. Nach ihrer Internierung durch die Gestapo im Ghetto Baron Hirsch in Thessaloniki wurde Siniora Nachmias nach Auschwitz deportiert. Am 22. April 1943 kamen mit diesem Transport 2800 jüdische Frauen, Männer und Kinder dort an. An der Rampe wurden 255 Männer und 413 Frauen als Häftlinge ins Lager geschickt, die übrigen 2132 Personen wurden sofort in die Gaskammer getrieben und umgebracht. Nach einer Selektion durch die SS-Anthropologen Bruno Beger und Hans Fleischhacker im Juni 1943 wurde die 17-Jährige am 30. Juli 1943 mit weiteren 85 Jüdinnen und Juden ins KZ Natzweiler-Struthof gebracht und dort am 11. oder 13. August 1943 in der Gaskammer ermordet.
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Dario Nathan
Geboren vermutlich in Thessaloniki (Griechenland). Geburtsdatum nicht bekannt. Laut Autopsieprotokoll war er zu seinem Todeszeitpunkt etwa 45 Jahre alt. Nach seiner Internierung durch die Gestapo im Ghetto Baron Hirsch in Thessaloniki wird er Ende April 1943 nach Auschwitz deportiert. Am 4. Mai 1943 kommen mit diesem Transport 2930 jüdische Frauen, Männer und Kinder dort an. An der Rampe wurden 220 Männer und 318 Frauen ausgewählt und als Sklavenarbeiter ins Lager geschickt - darunter Dario Nathan, dem die Lager-SS die Nummer 119948 auf den linken Unterarm tätowieren ließ. Die übrigen 2392 Personen wurden sofort in die Gaskammer getrieben und umgebracht. Nach einer Selektion durch die SS-Anthropologen Bruno Beger und Hans Fleischhacker im Juni 1943 wurde der 40-Jährige am 30. Juli 1943 mit weiteren 85 Jüdinnen und Juden ins KZ Natzweiler-Struthof gebracht und dort am 16. August 1943 in der Gaskammer ermordet.
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Sarina Nissim
Geboren 1906 in Thessaloniki (Griechenland). Nach ihrer Internierung im Ghetto Baron Hirsch in Thessaloniki durch die Gestapo wird sie nach Auschwitz deportiert. Am 28. April 1943 kommen mit diesem Transport 3070 jüdische Frauen, Männer und Kinder dort an. An der Rampe wurden 180 Männer und 361 Frauen als Häftlinge ins Lager geschickt, die übrigen 2529 Personen wurden sofort in die Gaskammer getrieben und umgebracht. Nach einer Selektion durch die SS-Anthropologen Bruno Beger und Hans Fleischhacker im Juni 1943 wurde die 37-Jährige am 30. Juli 1943 mit weiteren 85 Jüdinnen und Juden ins KZ Natzweiler-Struthof gebracht und dort am 11. oder 13. August 1943 in der Gaskammer ermordet.
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Heinrich Osepowitz
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Heinrich Osepowitz
Das Geburtsdatum und der vermutlich polnische Geburtsort von Heinrich Osepowitz konnten bis jetzt noch nicht ermittelt werden. Sein letzter Aufenthaltsort vor der Deportation war das Ghetto in Pružany/Polen. Von dort wurde er mit Leidensgenossen zunächst nach Oranczyce/Polen verschleppt und am 30. Januar 1943 ins KZ Auschwitz deportiert. Am 31. Januar 1943 kamen mit diesem Transport 2834 Juden an, darunter 230 Kinder unter vier Jahren und 520 Kinder im Alter von vier bis zehn Jahren. An der Rampe wurden 313 Männer und 180 Frauen ausgewählt und als Sklavenarbeiter ins Lager geschickt - darunter Heinrich Osepowitz, dem die Lager-SS die Nummer 98991 in den linken Unterarm tätowieren ließ. Die übrigen 2341 Personen, darunter 750 Kinder, wurden sofort in die Gaskammer getrieben und umgebracht. Nach einer Selektion durch die SS-Anthropologen Bruno Beger und Hans Fleischhacker im Juni 1943 wurde Heinrich Osepowitz am 30. Juli 1943 mit weiteren 85 Jüdinnen und Juden ins KZ Natzweiler-Struthof gebracht und dort am 16. oder 18. August 1943 in der Gaskammer ermordet.
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Jeanette Passmann geb. Vogelsang · Hermann Pinkus · Jacob Polak
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Jeanette Passmann geb. Vogelsang
Geboren am 28. Februar 1878 in Gelsenkirchen. Sie heiratete den Kaufmann Hermann Passmann (* 11. Juni 1869 in Issum), mit dem sie zwei Kinder zur Welt brachte: Kurt (* 20. November 1909 in Geldern) und Ilse Henriette (* 9. Februar 1911 in Geldern). Die Passmanns zogen nach Krefeld und bauten dort eine geschäftliche Existenz auf. Im Juni 1934 emigrierten sie in die Niederlande und ließen sich in Roermond nieder. Dort starb Hermann Passmann am 26. Januar 1935.
Tochter Ilse Henriette heiratete 1934 in Köln Erich Salm und emigrierte mit ihm nach Chicago. Gestorben ist sie im Juli 1989 in Miami und ihr Mann im August 2006 in Chicago. Sohn Kurt, der mit den Eltern in die Niederlande zog, gelang es nach der deutschen Okkupation der Niederlande mit einem niederländischen Offizier über den Kanal nach Großbritannien zu fliehen. Die Briten brachten ihn nach Kanada, wo er zunächst interniert wurde. Nach dem Krieg heiratete er in Kanada und starb in den 1990ern in Montreal.
Jeanette Passmann fand einen Schlepper, der ihr versprach, sie gegen 10.000 Gulden in die Schweiz zu bringen. Stattdessen wurde sie unterwegs von der Polizei festgenommen, am 15. Februar 1943 in Mechelen interniert und am 19. April 1943 mit dem Zug von Mechelen nach Auschwitz deportiert. Am 22. April 1943 kamen mit diesem Transport 507 Männer, 121 Jungen, 631 Frauen und 141 Mädchen, allesamt Juden, dort an. An der Rampe wurden 276 Männer und 245 Frauen als Häftlinge ausgewählt und als Häftlinge ins Lager geschickt - darunter Jeanette Passmann, der die Lager-SS die Nummer 42658 auf den linken Unterarm tätowieren ließ. Die übrigen 879 Personen wurden sofort in die Gaskammer getrieben und umgebracht.
Mit weiteren Frauen aus ihrem Transport wurde Jeanette Passmann in den Block 10 des Stammlagers Auschwitz eingewiesen, einem Ort für medizinische Experimente. Nach einer Selektion durch die SS-Anthropologen Bruno Beger und Hans Fleischhacker im Juni 1943 wurde die 65-Jährige am 30. Juli 1943 mit weiteren 85 Jüdinnen und Juden ins KZ Natzweiler-Struthof gebracht und dort am 11. oder 13. August 1943 in der Gaskammer ermordet.
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Jeanette Passmann
Stolperstein für Jeanette Passmann
in Geldern, Haerttor 24
Jeanette Passmann schenkte ihrer Freundin Elisabeth Maria Antoinetta Sanders in Roermond diese Uhr. Sie hat sie lebenslang aufbewahrt.
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Hermann Pinkus
Geboren wurde Hermann Pinkus am 16. Januar 1903 als zweites Kind von Lesser Pinkus * 27. November 1867 in Mrotschen) und Dora Chaim (* 21. Oktober 1873 in Znin/Posen) in Mrotschen geboren. Seine ältere Schwester hieß Lucie (* 11. Dezember 1900 in Mrotschen). Bald nach Hermanns Geburt zog die Familie nach Berlin, wo am 3. September 1906 Hermanns jüngere Schwester Hertha zur Welt kam. Welche Ausbildung er absolvierte und welchen Beruf er ergriff, ist nicht bekannt. Am 7. November 1941 heiratete er Grete Meyer (* 19. Dezember 1903 in Neustadt/Posen). Fünf Tage später zog er mit ihr in der Schlesischen Straße 20 ein. Am 19. Januar 1943 musste das Ehepaar in der Skalizer Straße 46 in ein unmöbliertes Zimmer zur Untermiete einziehen. Vermieter waren Max und Emmy Rosenbund, die bald danach in die Illegalität abtauchen und der Verfolgung entgehen konnten. Ein schmales Auskommen fand Pinkus als Militärsattler bei der Firma Kurt Seidel.
Hermanns Eltern wurden am 14. Januar 1943 nach Theresienstadt deportiert. Seine Mutter ist dort im März 1944 ums Leben gekommen, sein Vater hat die Shoah überlebt und ist am 3. März 1954 in Berlin gestorben. Hermann Pinkus wurde während der sogenannten Fabrikaktion der Nazis Ende Februar 1943 festgenommen und am 1. März, fünf Tage vor seiner Frau und zwei Tage vor seiner Schwester Hertha nach Auschwitz deportiert. Am 2. März 1943 kamen mit diesem Transport 1500 jüdische Frauen, Männer und Kinder dort an. An der Rampe wurden 150 Männer ausgewählt und als Sklavenarbeiter ins Lager geschickt, darunter auch Hermann Pinkus, dem die Lager-SS die Nummer 104852 auf den linken Unterarm tätowieren ließ. Die übrigen 1350 Personen wurden sofort in die Gaskammer getrieben und dort umgebracht.
Nach einer Selektion durch die SS-Anthropologen Bruno Beger und Hans Fleischhacker im Juni 1943 wurde der 40-Jährige am 30. Juli 1943 mit weiteren 85 Jüdinnen und Juden ins KZ Natzweiler-Struthof gebracht und dort am 16. oder 18. August 1943 in der Gaskammer ermordet.
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Jacob Polak
Geboren am 24. März 1911 in Amsterdam als ältester von drei Söhnen des Ehepaars Isaak Polak (* 13. August 1892 in Amsterdam) und Rebecca geb. Hennipseel (* 5. Juni 1893 in Amsterdam). Zuletzt wohnten die Polaks in Amsterdam in der Laing's Nekstraat 10 III. Diese Familie wurde während der Shoah vollkommen ausgelöscht. Jacob Polak war von Beruf Hafenarbeiter (Schauermann) und heiratete Sarah Walvisch (* 15 Oktober 1915 in Haarlem). Einen eigenen Hausstand konnte das Paar nach der Hochzeit nicht mehr gründen.
Jacob Polaks Eltern, sein jüngste Bruder Benjamin (* 20. November 1931 in Amsterdam) und seine Frau wurden am 9. Juli 1943 nach Sobibor deportiert und ermordet. Sein mittlerer Bruder Meijer (* 5. April 1921 in Amsterdam) wurde bereits am 30. September 1942 nach Auschwitz deportiert, wo er zu einem nicht bekannten Zeitpunkt ums Leben kam. Jacob wurde am 16. Februar 1943 vom Lager Westerbork ebenfalls nach Auschwitz deportiert. Am 18. Februar 1943 kam dieser Transport mit 1108 jüdischen Frauen, Männern und Kindern dort an. An der Rampe wurden 200 Männer und 61 Frauen ausgewählt und als Sklavenarbeiter ins Lager geschickt - darunter Jacob Polak, dem die Lager-SS die Nummer 103648 auf den linken Unterarm tätowieren ließ. Die übrigen 847 Personen wurden sofort in die Gaskammer getrieben und umgebracht. Nach einer Selektion durch die SS-Anthropologen Bruno Beger und Hans Fleischhacker im Juni 1943 wurde der 32-Jährige am 30. Juli 1943 mit weiteren 85 Jüdinnen und Juden ins KZ Natzweiler-Struthof gebracht und dort am 16. oder 18. August 1943 in der Gaskammer ermordet.
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Israel Rafael · Samuel Rafael · Siegbert Meinhardt Rosenthal
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Israel Rafael
Geboren wurde Israel Rafael vermutlich in Thessaloniki (Griechenland), sein Geburtsdatum und seine Familienherkunft sind nicht bekannt. Nach seiner Internierung durch die Gestapo im Ghetto Baron Hirsch in Thessaloniki wurde er am 28. April 1943 nach Auschwitz deportiert. Am 4. Mai 1943 kamen mit diesem Transport 2930 jüdische Frauen, Männer und Kinder dort an. An der Rampe wurden 220 Männer und 318 Frauen ausgewählt und als Sklavenarbeiter ins Lager geschickt, darunter Israel Rafael,dem die SS die Nummer 119963 auf den linken Unterarm tätowieren ließ. Die übrigen 2392 Personen wurden in die Gaskammer getrieben und umgebracht. Nach einer Selektion durch die SS-Anthropologen Bruno Beger und Hans Fleischhacker im Juni 1943 wurde Israel Rafael am 30. Juli 1943 mit 85 weiteren Jüdinnen und Juden ins KZ Natzweiler-Struthof gebracht und dort am 16. oder 18. August 1943 in der Gaskammer ermordet.
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Samuel Rafael
Geboren vermutlich in Thessaloniki (Griechenland), sein Geburtsdatum und seine Familienherkunft sind nicht bekannt. Nach seiner Internierung durch die Gestapo im Ghetto Baron Hirsch in Thessaloniki wurde Samuel Rafael am 28.April 1943 nach Auschwitz deportiert. Am 4. Mai 1943 kamen mit diesem Transport 2930 jüdische Frauen, Männer und Kinder dort an. An der Rampe wurden 220 Männer und 318 Frauen ausgewählt und als Sklavenarbeiter ins Lager geschickt - darunter Samuel Rafael, dem die SS die Nummer 119964 auf den linken Unterarm tätowieren ließ. Die übrigen 2392 Personen wurden in die Gaskammer getrieben und umgebracht. Nach einer Selektion durch die SS-Anthropologen Bruno Beger und Hans Fleischhacker im Juni 1943 Samuel Rafael am 30. Juli 1943 mit 85 weiteren Jüdinnen und Juden ins KZ Natzweiler-Struthof gebracht und dort am 16. oder 18. August 1943 in der Gaskammer ermordet.
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Siegbert Meinhardt Rosenthal
Geboren ist Siegbert Meinhardt Rosenthal am 11. Juli 1899 in Berlin. Es war das selbe Jahr, in dem die Ehe seiner Eltern - Markus Rosenthal und Minna Glass - in Brüche ging. Die beiden stammten aus dem westpreußischen Städtchen Czersk, hatten dort 1893 geheiratet, zwei Jahre später war ein erster Sohn auf die Welt gekommen: Harry. Damals lebte das Ehepaar in der ostpreußischen Kleinstadt Rastenburg (heute: Kętrzyn/Polen). 1902 heiratete die Mutter der beiden Jungen in Berlin den Kaufmann Leo Lippmann, 1905 wurde eine Tochter geboren, Johanna "Henny" Lippmann.
Beide Rosenthal-Brüder zogen als Soldaten in den Weltkrieg. Nach dem Krieg kam Harry Rosenthal zur Schuhfabrik Salamander, deren Kornwestheimer Chefs Jakob Sigle und Max Levi unter anderem in Berlin eine Filiale gegründet hatten. Harry Rosenthal stieg schließlich zu deren Geschäftsführer auf - eine Position, die er nach dem Machtantritt der Nazis aufgeben musste. Mit einem Rückflugticket reiste er im Herbst 1938 nach Island in der Absicht, sich dort anzusiedeln. Sein Vermögen ließ er in Berlin zurück. In Islands Hauptstadt Reykjavik lebten seit 1934 seine Halbschwester mit ihrem zweiten Mann Hendrik Ottosson und Kind sowie die gemeinsame Mutter.
Siegbert Rosenthal war in der deutschen Hauptstadt geblieben. Er hatte die gebürtige Berlinerin Erna Dorothea Bärwald (* 24. Dezember 1901) geheiratet, am 19. Juli 1939 kam ihr Sohn Denny zur Welt. Die junge Familie lebte in Berlin-Mitte in der Augustraße 51. Von Beruf war Siegbert Rosenthal Kaufmann. Möglicherweise wollte auch er, wie sein Bruder, nach dem Novemberpogrom 1938 aus Deutschland ausreisen und es könnte sein, dass man noch die Geburt abwarten wollte. Doch die finanzielle Lage für die Juden gestaltete sich immer prekärer. Siegbert Rosenthal arbeitete zuletzt als Wäscher bei der Reichsvereinigung der Juden in Deutschland. Seine Geschwister versuchten noch nachdrücklich, ihn mit Frau und Kind nach Island zu lotsen. Am Ende gelang es ihnen sogar, die Schwedische Botschaft zu mobilisieren, aber für ein Happy End reichte es nicht mehr. Als sich die Schweden im April 1943 in Berlin meldeten, waren Erna Rosenthal und ihr Söhnchen bereits tot. Ermordet in der Gaskammer von Auschwitz.
Am 12. März 1943 waren die drei Rosenthals deportiert worden. Mit diesem Transport aus Berlin kamen am 13. März 1943 in Auschwitz 344 jüdische Männer sowie 620 jüdische Frauen und Kinder an. An der Rampe wurden 218 Männer und 147 Frauen ausgewählt und als Sklavenarbeiter ins Lager geschickt, auch Siegbert M. Rosenthal, dem die Lager-SS die Nummer 107933 auf den linken Unterarm tätowieren ließ. Die übrigen 599 Personen wurden sofort in die Gaskammer getrieben und umgebracht. Rosenthal musste bei den Buna-Werken im Lager Auschwitz-Monowitz Sklavenarbeit verrichten. Am 27. April 1943 wurde er wegen eines Geschwürs an der linken Hand ins Krankenrevier des Stammlagers Auschwitz überwiesen. Nach einer Selektion durch die SS-Anthropologen Bruno Beger und Hans Fleischhacker im Juni 1943 wurde der 44-Jährige am 30. Juli 1943 mit 85 weiteren Jüdinnen und Juden ins KZ Natzweiler-Struthof gebracht und dort am 18. August 1943 in der Gaskammer ermordet.
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Siegbert M. Rosenthal
Siegbert M. Rosenthal
im November 1939
mit Sohn Denny in Berlin
©Petersdottir
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Frank Sachnowitz · Marie Sainderichin geb. Brodsky · Albert Saltiel · Maurice Saltiel · Maurice Saporta · Mordochai Saul · Gustav Seelig · Alice Simon geb. Remak · Emil Sondheim · Sigurd Steinberg · Nina Sustil
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Frank Sachnowitz
Larvik ist eine norwegische Hafenstadt rund 100 Kilometer südwestlich von Oslo. Hier wurde am 8. Februar 1925 Frank Sachnowitz als jüngstes von acht Kindern geboren. Sein Vater, Israel Sachnowitz, war aus dem russischen Krasnapolje im Jahr 1907 als 27-Jähriger nach Norwegen eingewandert. Juden hatten sich in dieser Zeit verstärkt von ihrer russischen Heimat abgewandt, weil ihnen wegen ihrer Religion zunehmend Schwierigkeiten gemacht wurden. Israel Sachnowitz beispielsweise hatte schon vier Jahre Militärdienst hinter sich gebracht und er durfte noch immer nicht seinen Abschied nehmen. Darum hatte er sich zur Flucht entschlossen.
In Oslo heiratete der Zuwanderer die zwei Jahre jüngere Litauerin Sara Lahn, hier kam 1910 der älteste Sohn Martin zur Welt. Die junge Familie zog weiter nach Larvik und eröffnete ein Herrenkonfektionsgeschäft. Sieben weitere Kinder wurden geboren: Elias (1911), Samuel (1912), Rita 1915, Marie (1919), Herman (1921), Frida (1923) und schließlich Frank. Die Familie führte ein friedliches Leben, die Kinder erlernten Berufe, Elias eröffnete in Larvik ein zweites Konfektionsgeschäft. Das "Dressmagasinet" befand sich in der Torget 4 und das "Ekko" in der Prinsegata 8. Alle waren musikalisch, Herman spielte wie sein Vater Trompete, Martin Zugposaune und Kontrabass, Elias Geige, Rita und Marie Klavier, Frank Tenorhorn, Marie hatte obendrein eine ausgeprägte Gesangsstimme. Einige dieser Musiktalente beteiligten sich in örtlichen Vereinen, Herman und Frank beispielsweise in der Jugendkapelle.
Außer der Familie Sachnowitz gab es in Larvik keine weiteren Juden. Man blieb in der Kleinstadt gut integriert, was sich erst änderte, als im April 1940 die Wehrmacht in Norwegen einmarschierte. Von nun an wurde für die wenigen Juden im Land der Alltag zunehmend schwerer.
Die ersten massiven Schikanen begannen 1942 mit der Anweisung vom 10. Januar, die der norwegische Polizeiminister Jonas Lie auf Befehl der deutschen Sicherheitspolizei erteilte: Alle Ausweise von Juden mussten mit einem »J« gekennzeichnet werden. Wenig später forderten die örtlichen Polizeidienststellen die Juden auf, Fragebögen auszufüllen, derweil ein norwegisches „Statistikkontor“ ein Verzeichnis der einheimischen Juden zusammenstellte. Es wurde dann Grundlage für die späteren Verhaftungen.
Bald nach der deutschen Okkupation in Norwegen war die Familie Sachnowitz aufs Land gezogen. Franks Vater hatte in Gjein, etwa 30 Kilometer außerhalb von Larvik. einen Bauernhof gekauft. Allerdings blieb die Hoffnung vergeblich, dort Ruhe vor den Nationalsozialisten finden zu können. Frank war 17 Jahre alt, als er in der Nacht zum 26. Oktober 1942 mit seinem Vater und seinen Brüdern in Gjein verhaftet und in das neu eingerichtete Gefangenenlager Berg eingewiesen wurde. Dieses Lager, das der norwegischen Polizeiunterstand, befand sich am Rand der Stadt Tønsberg, etwa 20 Kilometer vom Bauernhof der Familie Sachnowitz entfernt. Deren männlichen Angehörigen waren die ersten Juden in diesem Lager, in den nächsten Tagen und Nächte wurden weitere Familien und Einzelpersonen eingeliefert. Am 26. November wurden sie alle nach Oslo gebracht. Von dort aus transportierte ein Schiff der Kriegsmarine 532 jüdische Häftlinge nach Deutschland. Unterwegs entdeckten die Sachnowitz-Brüder auch ihre Schwester Marie an Bord. In Stettin wartete ein Eisenbahntransportzug, der die norwegischen Juden in zweitägiger Fahrt nach Auschwitz deportierte. Israel und Marie Sachnowitz wurden sofort nach der Ankunft in der Gaskammer getötet. Ebenso erging es den Schwestern Frida und Rita, die in einem späteren Transport Auschwitz erreichten.
Die fünf Brüder kamen ins Lager Monowitz, wo sie bei den Buna-Werken zu Zwangsarbeit eingeteilt wurden. Samuel wurde von einem SS-Mann erschlagen, Martin und Elias kamen in den folgenden Wochen unter nicht bekannten Umständen ums Leben. Für Herman bedeutete es unter den gegebenen Umständen Glück, als Trompeter Mitglied im Lagerorchester zu werden – er war der einzige, der Auschwitz überlebte.
An Franks linkem Unterarm ließ die Lager-SS die Nummer 79238 eintätowieren. Bei den Buna-Werken im Außenlager Auschwitz-Monowitz musste er Sklavenarbeit verrichten bis zur völligen Erschöpfung. Am 6. Mai 1943 wurde er wegen Körperschwäche in eine Krankenbaracke eingeliefert und von dort ins Krankenrevier des Stammlagers überwiesen. Herman erfuhr noch von einem Kameraden aus der Registratur, dass Frank ins KZ Natzweiler im Elsass verschleppt wurde, wo sich für ihn jede Spur verlor. Was ihm zeitlebens verborgen blieb: Frank wurde von den beiden Anthropologen Bruno Beger und Hans Fleischhacker im Stamnmlager selektiert und mit 85 weiteren Jüdinnen und Juden in der Gaskammer von Natzweiler-Struthof ermordet. Sein Todesdatum war der 18. August 1943, er war 18 Jahre alt.
Für Hilfen bei den Recherchen danke ich den beiden Nichten von Frank Sachnowitz, Marion Gamain und Rita Porat
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Frank Sachnowitz
Frank Sachnowitz mit seiner Schwester in Larvik
Geschäft von Franks Bruder Elias in Larvik
Stolpersteine in Larvik
Sveinsgate Straße 15
Israel Sachnowitz pflanzte für jedes seiner Kinder Apfelbäume in seinem Garten. Sie blühen noch heute
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Marie Sainderichin geb. Brodsky
Geboren am 4. Juni 1881 in Kischinew (heute die Hauptstadt Moldawiens) als Tochter von David Brodsky. Die Familie wanderte 1883 nach Belgien aus. Marie heiratete dort am 22. August 1905 Abraham Leib Sainderichin (* 15. Dezember 1885 in Moskau). Sie bringen in Antwerpen vier Kinder zur Welt: Berthe (* 19. Juni 1906), David Maurice (* 7. Juli 1908), Anna (* 19. Dezember 1911) und Maurice (26. Oktober 1915). Nach dem Tod ihres Mannes am 4. Juni 1931 lebte Marie Sainderichin zunächst mit ihren Kindern, von 1936 an aber alleine. Ihr letzter Wohnort war seit dem 25. August 1937 eine Drei-Zimmer-Wohnung in der Rue Delin 71 in Antwerpen, deren Mobiliar nach der Deportation der Inhaberin im Rahmen der so genannten “Möbelaktion” am 31. Juli 1943 durch die deutsche Besatzungsmacht beschlagnahmt wurde.
Marie Sainderichin wurde am 12. Februar 1943 verhaftet, im Lager Mechelen interniert und am 19. April 1943 mit dem 20. Transportzug von Mechelen nach Auschwitz deportiert. Am 22. April 1943 kamen mit diesem Transport 507 Männer, 121 Jungen, 631 Frauen und 141 Mädchen, allesamt Juden, dort an. An der Rampe wurden 276 Männer und 245 Frauen als Häftlinge ins Lager geschickt, die übrigen 879 Personen wurden sofort in die Gaskammer getrieben und umgebracht. Die SS-Anthropologen Bruno Beger und Hans Fleischhacker wählten sie im Juni 1943 aus, weil die SS-Wissenschaftsorganisation "Ahnenerbe" Leichen benötigte, um an der Reichsuniversität Straßburg eine rassenanthropolosche Schausammlung aufzubauen. 86 Jüdinnen und Juden wurden zu diesem Zweck am 30. Juli 1943 ins KZ Natzweiler-Struthof gebracht und dort in der Gaskammer ermordet. Darunter auch, wenige Wochen nach ihrem 62. Geburtstag, Marie Sainderichin. Ihr Todestag war der 11. August 1943.
Von ihren Kindern überlebten Berthe Moreels, die im selben Jahr 1999 starb wie ihr Bruder Maurice, der im Krieg als Zwangsarbeiter nach Deutschland verschleppt worden war und in Baumholder Zwangsarbeit verrichten musste.
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Marie Sainderichin
Marie Sainderichin
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Alberto Saltiel
Geboren wurde Alberto Hasday Saltiel als viertes von sieben Kinder 1905 in Thessaloniki (damals noch Osmanisches Reich) geboren. Seine Eltern waren der Kaufmann Hasday Abraham Saltiel und Delica Aelion, beide aus großbürgerlichem Haus. Er wurde ebenfalls Kaufmann und arbeitete geschäftlich mit seinem Bruder Samuel zusammen. Nach seiner Internierung durch die Gestapo im Ghetto Baron Hirsch in Thessaloniki wurde Alberto Saltiel am 28. April 1943 nach Auschwitz deportiert. Am 4. Mai 1943 kamen mit diesem Transport 2930 jüdische Frauen, Männer und Kinder dort an.
An der Rampe schickte die SS ausgewählte 220 Männer und 318 Frauen als Häftlinge ins Lager - darunter Albert Saltiel, dem die SS die Nummer 119970 auf den linken Unterarm tätowieren ließ. Die übrigen 2932 Personen wurden sofort in die Gaskammer getrieben und umgebracht.
Alberto Saltiel wurde am 13. Mai 1943 im Stammlager Auschwitz in Block 21, dem Häftlingskrankenhaus, an einem Geschwür operiert. Nach einer Selektion durch die SS-Anthropologen Bruno Beger und Hans Fleischhacker im Juni 1943 wurde er am 30. Juli 1943 mit 85 weiteren Jüdinnen und Juden ins KZ Natzweiler-Struthof gebracht und dort am 16. August 1943 in der Gaskammer ermordet.
Für zahlreiche Hinweise zur Familiengeschichte danke ich Béatrice Saltiel.
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Maurice Saltiel
Maurice Saltiel wurde am 24.November 1920 in Thessaloniki geboren. Seine Eltern waren Eliahu Shemtov Saltiel und Riqueta Hassan. Nach seiner Internierung durch die Gestapo im Ghetto Baron Hirsch in Thessaloniki wurde Maurice Saltiel am 28. April 1943 nach Auschwitz deportiert. Am 4. Mai 1943 kamen mit diesem Transport 2930 jüdische Frauen, Männer und Kinder dort an.
An der Rampe schickte die SS ausgewählte 220 Männer und 318 Frauen als Häftlinge ins Lager - darunter auch Maurice, dem die SS die Nummer 119972 auf den linken Unterarm tätowieren ließ. Die übrigen 2932 Personen wurden sofort in die Gaskammer getrieben und umgebracht. Mit Maurice kam auch sein Cousin Synto Saltiel ins Lager, der die Nummer 119971 bekam. Die beiden hatten eine besondere Beziehung zueinander: Syntos Vater war Pate von Maurice und der Vater von Maurice war Pate von Synto.
Nach einer Selektion durch die SS-Anthropologen Bruno Beger und Hans Fleischhacker im Juni 1943 wurde Maurice Saltiel am 30. Juli 1943 mit 85 weiteren Jüdinnen und Juden ins KZ Natzweiler-Struthof gebracht und dort am 16.August 1943 in der Gaskammer ermordet.
Für Hilfen bei der Recherche danke ich Béatrice Saltiel und Marty Saltiel.
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Maurice Saporta
Geboren 1920 in Thessaloniki (Griechenland) als Sohn von Avraam Saporta und Matilde geb Saporta. Mit seinen Eltern und seiner Schwester Laura lebte er in Thessaloniki in der Sarantaporou 16. Zusammen mit Eltern und Schwester wurde Maurice Saporta am 28. April 1943 nach Auschwitz deportiert. Dort kamen am 4. Mai 1943 mit diesem Transport 2930 jüdische Frauen, Männer und Kinder an. An der Rampe wurden ausgewählte 220 Männer und 318 Frauen als Häftlinge ins Lager geschickt - so wie Maurice Saporta, dem die Lager-SS die Nummer 119974 auf den linken Unterarm tätowieren ließ. Die übrigen 2392 Personen wurden in die Gaskammer getrieben und umgebracht, darunter die Eltern und wahrscheinlich auch die Schwester von Maurice Saporta.
Nach einer Selektion durch die SS-Anthropologen Bruno Beger und Hans Fleischhacker im Juni 1943 wurde der 23-Jährige am 30. Juli 1943 mit 85 weiteren Jüdinnen und Juden ins KZ Natzweiler-Struthof gebracht und dort am 16. oder 18. August 1943 in der Gaskammer ermordet.
Bei der biographischen Recherche unterstützte mich Aliki Arouh vom Archiv der Jüdischen Gemeinde in Thessaloniki.
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Mordochai Saul
Geboren 1906 in Thessaloniki (Griechenland) als Sohn von Benjamin und Reina Saul. Mordochai Saul heiratete Rashel Levi, zwei Kinder kamen zur Welt: Benjamin und Julie (* 1939). Am 28. April 1943 wurde die Familie nach Auschwitz deportiert. Am 4. Mai 1943 kamen mit diesem Transport 2930 jüdische Frauen, Männer und Kinder dort an. An der Rampe wurden ausgewählte 220 Männer und 318 Frauen als Häftlinge ins Lager geschickt, so wie Mordohai Saul, dem dort die Nummer 119980 in den Arm tätowiert wurde. Die übrigen 2392 Personen wurden direkt in die Gaskammer getrieben und umgebracht, darunter Saul Mordochais Frau, Kinder und Eltern. Nach einer Selektion durch die SS-Anthropologen Bruno Beger und Hans Fleischhacker im Juni 1943 wurde der 37-Jährige am 30. Juli 1943 mit weiteren 85 Jüdinnen und Juden ins KZ Natzweiler-Struthof gebracht und dort am 16. oder 18. August 1943 in der Gaskammer ermordet.
Aus der Familie überlebte lediglich Mordochais Bruder Daniel, der bereits 1932 nach Palästina ausgewandert war.
Bei der biographischen Recherche unterstützte mich Aliki Arouh vom Archiv der Jüdischen Gemeinde in Thessaloniki.
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Gustav Seelig
Geboren am 14. November 1878 in der Gemeinde Bandsechow, Kreis Stolp/Pommern (heute: Będziechowo/Polen). Gustav Seelig war das zweitälteste von acht Kindern (vier Brüder, vier Schwestern) von Guter und Ernestine Seelig. Er war noch Kind, als seine Eltern nach Berlin zogen. Nach seiner Schulzeit absolvierte er eine Kaufmannslehre in Berlin und eröffnete dort im Jahr 1904 sein erstes Textilgeschäft. Zwei Jahre später heiratete er die gebürtige Berlinerin Clara Gellert (* 2. Juli 1881) in Berlin). Noch vor 1914 eröffnete der tüchtige Kaufmann zwei weitere Textilgeschäfte. Vier Tage nach Kriegsbeginn, am 5. August 1914, kam Seelig zum Militär und blieb Soldat bis Weltkriegsende, derweil seine Frau die Betriebe zunächst fortführte, wegen Personalengpässe und rückläufiger Nachfrage zwei angemietete Läden schließen musste.
Gustav Seeligs letzte Wohnadresse in Berlin war die Kopenhagener Straße 11 im Prenzlauer Berg. Dort bestand auch der Hauptbetrieb, ein Textil-, Weiß- und Kurzwarengeschäft, dessen Eigentümer Seelig war. Am 19. August 1935 verhaftete ihn die Gestapo und brachte ihn ins Polizeipräsidium am Alexanderplatz. Derweil zerschlugen SA-Leute die zwei großen Schaufenster und die Eingangstür des Geschäfts, plünderten die Auslagen und auch Warenbestände im Laden. "Außerdem lag noch ein Teil der Ware systematisch verschmutzt und zertrampelt auf dem Fußboden umher", berichtete Seeligs Tochter Herta Noah, und: "Mein Vater war durch diese großen Aufregungen physisch und nervlich herunter und musste sich in ärztliche Behandlung begeben." Von den gewalttätigen Boykottaktionen waren in jenen Augusttagen viele jüdischen Geschäfte betroffen, um deren Inhaber zu zermürben. Anfang 1938 musste sich Gustav Seelig dem politischen und ökonomischen Druck beugen und sein Geschäft zum Schleuderpreis verkaufen.
Herta Noah emigrierte mit ihrem Ehemann Herbert im Herbst 1940 nach Südamerika. Ihre Eltern versuchten offenbar zu folgen, denn sie hatten bei einer Hamburger Reederei bereits Passagegeld einbezahlt. Es gelang dem Ehepaar jedoch nicht mehr aus dem Land zu kommen. Gustav Seelig musste sich zu Zwangsarbeit als Maschinenarbeiter bei Siemens-Schuckert verpflichten lassen. Am 2. März 1943 wurde er während der sogenannten Fabrikaktion der Nazis am Arbeitsplatz verhaftet. "Nachdem meine Mutter vergeblich auf ihn wartete", schrieb seine Tochter, "stellte sie sich freiwillig, um mit ihm zusammen sein zu können." Das Ehepaar Seelig wurde am 4. März 1943 nach Auschwitz deportiert. Am 6. März 1943 kamen mit diesem Transport 1405 jüdische Männer, Frauen und Kinder dort an. An der Rampe wurden 406 Männer und 190 Frauen ausgewählt und als Sklavenarbeiter ins Lager geschickt - darunter Gustav Seelig, dem die Lager-SS die Nummer 106786 auf den linken Unterarm tätowieren ließ. Die übrigen 809 Personen wurden sofort in die Gaskammer getrieben und umgebracht, auch Clara Seelig. Gustav Seelig, den man mit Sklavenarbeit bei den Buna-Werken im Lager Auschwitz-Monowitz beschäftigte, wurde am 29. März 1943 wegen einer Fraktur am rechten Unterschenkel ins Krankenrevier des Stammlagers Auschwitz überwiesen. Nach einer Selektion durch die SS-Anthropologen Bruno Beger und Hans Fleischhacker im Juni 1943 wurde der 64-Jährige am 30. Juli 1943 mit weiteren 85 Jüdinnen und Juden ins KZ Natzweiler-Struthof gebracht und dort am 16. oder 18. August 1943 in der Gaskammer ermordet.
Bittere Ironie am Rande: Ende Januar 1945 plagte die Berliner Gaswerke noch eine offene Rechnung, die an die Oberfinanzdirektion gerichtet wurde: "Wir haben an Seelig noch eine Forderung von RM 16,00 für Gasverbrauch und bitten daher um Erstattung dieses Betrages."
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Stolperstein Berlin
Kopenhagener Straße 11
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Alice Simon geb. Remak
Als älteste von drei Kindern wurde Alice Simon am 30. August 1887 in der preußischen Stadt Posen (heute: Poznań/Polen) geboren. Der Anteil der Juden in dieser Stadt lag damals bei zehn Prozent. Sie fühlten sich als Deutsche, die unter den 68.000 Einwohnern knapp die Minderheit waren. Etwa 35.000 Einwohner waren Polen. Unter den christlichen Deutschen freilich waren die Juden nicht sonderlich gelitten, weshalb schon seit etlichen Jahren und auch fortdauernd die Juden verstärkt in Richtung Westen abwanderten.
Alice Simon wuchs in einer Kaufmannsfamilie auf. Ihr Vater war Arnold Remak, ihre Mutter Hedwig Löw. Auf Alice folgten als nächste Kinder Else (* 1888) und Curt (* 1897), 1904 trennte sich das Ehepaar Remak. Die geschiedene Mutter, 40 Jahre alt, siedelte mit ihren Kindern 1905 nach Charlottenburg. Arnold Remak wollte ebenfalls nicht für immer in Posen bleiben, 1923 zog auch er nach Berlin, wo er allerdings kurze Zeit später, am 16. Mai 1923, im Alter von 69 Jahren starb.
Alice Simon arbeitete als Sekretärin in der Kanzlei des Berliner Rechtsanwalts Dr. Herbert Simon. Er war in ihrer alten Heimat geboren, am 1. Januar 1881 in Bromberg (heute Bydgodszcz), und hatte nach dem Ersten Weltkrieg, in den er als Soldat eingezogen war, eine Anwaltskanzlei eröffnet. Der Jurist und seine Sekretärin verliebten sich und ehe sie heirateten, ließen sie sich evangelisch taufen. Die Hochzeit fand am 2. August 1920 in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche statt. Am 30. Juni 1921 kamen Zwillinge zur Welt, Carl und Hedda. Beide wurden evangelisch getauft, 1935 erfolgte die Konfirmation durch Pastor Gerhard Jacobi. Jacobi war ein leitendes Mitglied der Bekennenden Kirche, das wegen jüdischer Vorfahren von den Nazis „Judenpastor“ genannt wurde und vielen Repressalien ausgesetzt war.
Die Simons brachten es zu einigem Wohlstand, bezogen in der ersten Etage der Joachimsthaler Straße 12 eine Sieben-Zimmer-Wohnung, in der noch Herbert Simons Mutter und die Hausangestellte Ottilie Lenz lebten. Die kompletten zwei Monate Sommerferien verbrachte Alice Simon mit ihren Zwillingen in Swinemünde an der Ostsee, der Familienvater stieß an einigen Wochenenden aus Berlin hinzu.
Den tiefen Einschnitt brachte die Nazizeit. Als ehemaliger Frontsoldat durfte Herbert Simon seine Rechtsanwaltskanzlei zwar noch weiterführen, doch das Notariat wurde ihm im Spätjahr 1935 entzogen. Am 26. Januar 1936, erst 55 Jahre alt, ist er gestorben. Seine Witwe schickte mit Unterstützung einer Hilfsorganisation der Quäker die Kinder zur weiteren Ausbildung in die Forest School im Londoner Stadtteil Snaresbrook: Carl, der zuletzt das Berliner Grunewald-Gymnasium besucht hatte, noch im Sommer 1936, Hedda ein Jahr danach. Im Sommer 1938 kam Alice Simon für ein paar Wochen nach London, konnte jedoch von der Schulleitung trotz nachdrücklicher Versuche nicht zum Bleiben überredet werden.
Alice Simon hatte ihrem Mann versprochen, um dessen nahezu blinde Mutter besorgt zu sein. Da sie ihre Zwillinge in Sicherheit wusste, blieb sie in Berlin. Nach dem Münchener Abkommen vom 30. September 1938 blickte die politisch interessierte Frau zuversichtlich nach vorne. In einem der wenigen von ihr erhaltenen Briefe schrieb sie am 3. Oktober 1938: „In letzter Sekunde konnte alles zum Besten geregelt werden, dank dem Treffen der führenden Politiker. Jedes Land hatte unter dem letzten schrecklichen Krieg zu leiden, den alle noch gut in Erinnerung haben. Sie werden sicher verstehen, wie froh und dankbar wir alle sind, weil jetzt der Friede gesichert ist.“
Mutter und Kinder sahen sich nie wieder. Zwei Tage nach Absendung des optimistischen Briefes wurden den Juden die Reisepässe eingezogen. Ein Ausreisevisum hat Alice Simon nie gestellt. Sie arbeitete eine Weile unentgeltlich in der Kantstraße als Buchhalterin bei der Reichsvereinigung der Juden in Deutschland, nur wenige Gehminuten von der Joachimsthaler Straße entfernt. Ihre Schwiegermutter war im Dezember 1942 in einem jüdischen Heim gestorben, wohin sie kurz zuvor umziehen musste. Anfang Mai 1943 holte die Gestapo Alice Simon aus ihrer Wohnung und brachte sie in das Sammellager in der Großen Hamburger Straße. Am 18. Mai 1943 musste sie in einem Transportzug Berlin verlassen, der ungefähr 1000 jüdische Männer, Frauen und Kinder nach Auschwitz deportierte.
Luise Cotta, eine Freundin von Alice Simon, schrieb an deren Tochter Hedda nach dem Krieg, dass sie abends etwas zu Essen in die Große Hamburger Straße brachte, zehn Tage lang bis zur Abfahrt nach Auschwitz: „Das war das Letzte, was ich für sie tun konnte, und sie hat sich in kleinen Briefchen, die sie mir heimlich zukommen lassen konnte, herzlich bedankt. Dann bekam ich 2 Monate später noch mal einen kurzen Kartengruß von ihr aus dem K.Z. Birkenau bei Auschwitz, das war das letzte Lebenszeichen von ihr. Dann mag das schreckliche Ende gekommen sein.“
An der Rampe von Auschwitz wurden am 19. Mai 1943 dofort nach der Ankunft 805 Personen sofort in die Gaskammer getrieben und umgebracht. 80 Männer und 115 Frauen schickten die Selekteure als Häftlinge in das Lager. Mindestens vier der Frauen (außer Alice Simon noch Sophie Boroschek, Else Leibholz und Friedel Levy) wiesen sie in den Block 10 im Stammlager Auschwitz, der etwa sechs Wochen zuvor als ein Ort für medizinische Versuche eingerichtet worden war. [siehe: Block 10] Hier ließ die Lagerverwaltung der Mutter von Hedda und Carl die Nummer 45263 auf den linken Unterarm tätowieren. In der zweiten Juni-Woche 1943 wurden drei der vier genannten Berliner Frauen von den beiden SS-Anthropologen Bruno Beger und Hans Fleischhacker ausgewählt und mit weiteren Jüdinnen und Juden anthropologisch untersucht: Außer Alice Simon waren dies Sophie Boroschek und Else Leibholz. [siehe: Anthropologen in Auschwitz]
Debbie Konkol, Joanne Weinberg und Chris Halverson, alle USA, besuchten am 21. Mai 2015 mit ihren Ehemännern das Grab ihrer Großmutter. Bitte klicken Sie hier, um das Lied zu hören, das sie dort anstimmten. © R. Toledano
Als eine von 86 Frauen und Männern kam Alice Simon – am 30. Juli 1943 per Zug auf Transport geschickt – am 2. August 1943 im KZ Natzweiler-Struthof an. Dort wurde sie am 13. August 1943 in der Gaskammer ermordet - kurz vor ihrem 56. Geburtstag. Ihr Körper lag zwei Jahre konserviert im Anatomischen Institut der Reichsuniversität Straßburg, die vorgesehene Skelettsammlung wurde nie verwirklicht. Einige Zeit nach der Befreiung von Strasbourg erfolgte die Beerdigung in einem Massengrab auf dem Jüdischen Friedhof von Strasbourg-Cronenbourg. Ihr Bruder Curt, von dem Alice Simon wusste, dass er am 17. März 1943 nach Theresienstadt deportiert worden war, wurde in Auschwitz ermordet.
Carl Simon konnte, dank einer wohltätigen Amerikanerin, seine Ausbildung in den USA fortsetzen. Seiner Ausreise hatte seine Mutter schweren Herzens zugestimmt. An Bord der „Mauretania“ passierte der 18-Jährige am 1. Mai 1939 die Freiheitsstatue vor New York. Nach seinem Studium wurde er Pastor bei der Presbyterianischen Kirche. Seine Schwester folgte ihm nach dem Krieg aus London in die USA. Beide Geschwister heirateten, Hedda bekam zwei Kinder und Carl fünf.
Helene Lenz, Nichte der langjährigen Haushälterin Ottilie Lenz, schrieb 1947 an Hedda Simon: „Wenn Sie an Ihre liebe Mutter denken, können u. sollen Sie mit Stolz an sie denken, an einen Menschen, der innerlich u. äußerlich bis zum Letzten seine Pflicht als Mensch tat, ein Mensch, der groß u. stolz war, der ein Held war. Nirgends wird ihr wo ein äußeres Denkmal gesetzt sein. Aber im Herzen ihrer Kinder kann ihr Denkmal nicht groß genug sein. Und da man jetzt ja offen auch hier von dieser Zeit sprechen kann, habe ich schon mehrmals von Ihrer lieben Mutter gesprochen als von einem Menschen, der verdient, dass er nie vergessen wird.“
Für Hilfen bei den Recherchen bedanke ich mich bei Alice Simons Sohn Carl.
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Alice Simon
Stolperstein in Berlin, Joachimsthaler Straße
Herbert Simon (1881-1935), Ehemann von Alice Simon.
Aufgewachsen ist Alice Simon in Posen. Ihr Vater betrieb dort mit seinem Bruder in der City eine Papierhandlung (Pfeil).
Straßenansicht des Gebäudes Joachimstalerstraße 12 in Berlin-Charlottenburg. In der ersten Etage wohnte Alice Simon mit ihrem Mann Herbert und den Zwillingen Hedda und Carl. Diese Haushälfte wurde bei einem Bombenangriff 1944 zerstört.
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Emil Sondheim
Geboren am 24. Juni 1886 in Dejwitz, einem Vorort von Prag. Wohnhaft in Berlin, Prenzlauer Berg, in der Varnhagenstraße 13, seit Oktober 1942 in einem möblierten Zimmer in der Hochmeisterstraße 10. Zuletzt war er als Zwangsarbeiter bei der Reichsbahn verpflichtet. Zum Zeitpunkt der Deportation geschieden, Ehefrau Hedwig geb. Zahn (geboren am 1. Februar 1896) war keine Jüdin.
Emil Sondheim wurde am 4. März 1943 nach Auschwitz deportiert. Am 6. März 1943 kamen mit diesem Transport 1405 jüdische Männer, Frauen und Kinder dort an. An der Rampe wurden 406 Männer und 190 Frauen ausgewählt und als Sklavenarbeiter ins Lager eingewiesen - darunter Emil Sondheim, dem die Lager-SS die Nummer 106569 auf den linken Unterarm tätowieren ließ. Die übrigen 809 Personen wurden sofort in die Gaskammer getrieben und umgebracht.<
Emil Sondheim hatte in den Buna-Werken im Außenlager Auschwitz-Monowitz arbeiten müssen. Am 12. Mai 1943 wurde er wegen allgemeiner Schwäche ins Krankenrevier des Stammlagers Auschwitz geschickt. Dort wurde der 53-Jährige im Juni 1943 von den beiden Rassen-Anthropologen Bruno Beger und Hans Fleischhacker selektiert, am 30. Juli 1943 mit weiteren 85 jüdischen Frauen und Männern ins KZ Natzweiler-Struthof deportiert und dort am 18. August 1943 in der Gaskammer ermordet.
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Sigurd Steinberg
Benno Steinberg (* 4. November 1890 in Berlin) und Susanne geb. Kulies (* 13. Februar 1894 in Leipzig) hatten zwei Kinder: Margot (* 6. August 1920 in Berlin) und Sigurd Julius (geboren am 11. August 1921 in Berlin). Sigurd besuchte in Berlin-Kreuzberg die (heute so heißende) Birger-Forell-Schule, danach das Friedrichs-Realgymnasium (heute: Leibniz-Gymnasium), das er im März 1937 verließ, um eine Kaufmannslehre zu beginnen. Zuletzt wohnte er in Berlin-Kreuzberg, Tempelherrenstraße 3, in einem möblierten Zimmer. Seine Schwester wurde im September 1942 nach Riga deportiert und dort am 29. Oktober 1942 ermordet. Die übrigen Familienmitglieder wurden - mit einer Ausnahme - im März 1943 in Auschwitz wie am Fließband umgebracht. Der Vater saß in einem Transportzug, der am 1. März losfuhr, die Mutter am 2. März. In weiteren Transporten Anfang März folgten auch Benno Steinbergs Schwestern Franziska Heliasowicz und Bella Fraenkel mit ihren Männern - alle wurden sie in der Gaskammer ermordet.
Den 21-jährigen Sigurd Steinberg verhaftete die Gestapo im Zuge der sogenannten Fabrikaktion am Arbeitsplatz und deportierte ihn zusammen mit seiner gleichaltrigen Frau Ingeborg geb. Schohes (* 13. Januar 1922 in Gleiwitz) am 3. März von Berlin nach Auschwitz. Tags darauf kamen mit diesem Transport 632 jüdische Männer und 1118 jüdische Frauen und Mädchen dort an. An der Rampe wurden 517 Männer und 200 Frauen ausgewählt und als Sklavenarbeiter ins Lager geschickt - darunter Sigurd Steinberg, dem die Lager-SS die Nummer 105894 auf den linken Unterarm tätowieren ließ. Die übrigen 1033 Personen wurden in die Gaskammer getrieben und umgebracht. Zu ihnen gehörte auch Steinbergs Frau. Er selbst, der Zwangsarbeit in Auschwitz-Monowitz für die Buna-Werke verrichten musste, wurde am 5. Juni 1943 mit einer Lungenentzündung ins Krankenrevier des Stammlagers Auschwitz überwiesen. Nach einer Selektion durch die SS-Anthropologen Bruno Beger und Hans Fleischhacker im Juni 1943 wurde er am 30. Juli 1943 ins KZ Natzweiler-Struthof gebracht und dort am 16. August 1943, wenige Tage nach seinem 22. Geburtstag, in der Gaskammer ermordet.
Die beiden oberen Fotos schenkte mir Monika Winter aus Havelberg. Ihre Großmutter war zeitweise als Haushälterin und Kindermädchen bei den Steinbergs in Berlin angestellt. Das untere Foto überließ mir Dr. Gerhard Domaß, ein ehemaliger Klassenkollege.
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Sigurd Steinberg
©Archiv Lang
Sommer 1934: Sigurd Steinberg wird Barmizwa
©Archiv Lang</>
Sigurd Steinberg (roter Pfeil) ca 1936 in seiner Schulklasse im Berliner Friedrichs-Realgymnasium
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Nina Sustil
Geboren am 14. Juli 1920 in Thessaloniki (Griechenland). Nach ihrer Internierung durch die Gestapo im Ghetto Baron Hirsch in Thessaloniki wurde Nina Sustil am 28. April 1943 nach Auschwitz deportiert. Am 4. Mai 1943 kamen mit diesem Transport 2930 jüdische Frauen, Männer und Kinder dort an. An der Rampe wurden 220 Männer und 318 Frauen als Häftlinge ins Lager geschickt, die übrigen 2932 Personen wurden sofort in die Gaskammer getrieben und umgebracht.
Nina Sustil wurde mit weiteren Griechinnen in den Block 10 im Stammlager Auschwitz eingewiesen und gehörte zu den 29 Frauen und 57 Männern, die von den SS-Anthropologen Bruno Beger und Hans Fleischhacker für eine geplante rassenanthropolische Schausammlung ausgesucht wurden. Am 30. Juli 1943 wurden die 86 Jüdinnen und Juden ins KZ Natzweiler-Struthof deportiert und an vier August-Tagen in der Gaskammer ermordet. Todestag der 23-jährigen Nina Sustil war der 11. oder 13. August 1943.
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Menachem Taffel · Martha Testa
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Menachem Taffel
Geboren am 21. Juli 1900 in dem galizischen Städtchen Sedriczow (heute: Sędziszów/Polen). Menachem Taffel kam vermutlich nach dem 1. Weltkrieg nach Berlin, heiratete die ebenfalls aus Galizien stammende Klara Schenkel (* 23. April 1899 in Krosno) und machte sich als kleiner Händler selbstständig. Am 31. Mai 1928 kam die Tochter Ester zur Welt, die von 1935 an die Mädchenvolksschule der Jüdischen Gemeinde Berlin besuchte und nach ihrer Schulzeit als ehrenamtliche Helferin im Israelitischen Krankenheim in der Elsässer Straße arbeitete. Die Taffels wohnten 1929 in der Ackerstraße 5, 1931 in der Rheinsberger Straße 30 und betrieben eine Milchhandlung. Sie mussten 1938 bei Menachems Schwiegereltern in Berlin in der Elsässer Straße 8 einziehen: David Schenkel (* 6. August 1870 in Frysztak/Polen) und Breindel geb. Pindles (* 1872 in Korczyna/Polen). In der Elsässerstraße 8 führte Breindel Schenkel laut Adressbuch bis 1938 einen Stoffladen. Ein Zusammenhang zwischen der Aufgabe des Ladens und dem Einzug der Taffels liegt nahe. Am 19. April 1942 wurde das Ehepaar Schenkel in das KZ Theresienstadt deportiert, wo David Schenkel im Juni 1943 gestorben ist. Seine Frau wurde einige Zeit später in Auschwitz ermordet.
Menachem, Klara und Ester Taffel wurden am 12. März 1943 mit dem 36. Osttransport von Berlin nach Auschwitz deportiert. Am 13. März 1943 kamen mit diesem Transport 344 jüdische Männer sowie 620 jüdische Frauen und Kinder dort an. An der Rampe wurden 218 Männer und 147 Frauen ausgewählt und als Sklavenarbeiter ins Lager geschickt - darunter Menachem Taffel, dem die Lager-SS die Nummer 107969 auf den linken Unterarm tätowieren ließ. Die übrigen 599 Personen – darunter Menachems Frau und seine Tochter – wurden in die Gaskammer getrieben und umgebracht. Menachem Taffel, der bei den Buna-Werken im Außenlager Auschwitz-Monowitz beschäftigt war, wurde am 30. April 1943 wegen eines Geschwürs am linken Fuß ins Krankenrevier des Stammlagers Auschwitz überwiesen. Dort wurde der 43-Jährige im Juni 1943 von den beiden Rassen-Anthropologen Bruno Beger und Hans Fleischhacker selektiert, am 30. Juli 1943 mit weiteren 85 jüdischen Frauen und Männern ins KZ Natzweiler-Struthof deportiert und am 18. August 1943 in der Gaskammer ermordet. Seine Leiche brachten SS-Mitglieder zum Anatomischen Institut der Reichsuniversität Straßburg.
Auf einem Foto, das nach der Befreiung Strasbourgs während der gerichtsmedizinischen Obduktion von seiner Leiche aufgenommen wurde, kann man auf dem linken Unterarm die KZ-Nummer aus Auschwitz erkennen. Darum konnte Hermann Langbein, damals Vorsitzender des Internationalen Auschwitz-Komitees, Menachem Taffel identifizieren. Das war während der Ermittlungen für den Frankfurter Auschwitz-Prozess. Fast vier Jahrzehnte vergingen, bis auch die übrigen 85 Opfer des "Ahnenerbe"-Verbrechens identifiziert wurden. Auf Taffel wurde die Weltöffentlichkeit im Sommer 2015 noch einmal aufmerksam gemacht. Damals waren nach einer Initiative des Strasbourger Forschers Raphael Toledano in einem Schrank des Gerichtsmedizinischen Instituts der Universität Strasbourg drei Gläschen entdeckt worden. Sie enthielten Hautpartikel und Spuren des Mageninhalts, die nach der Obduktion als Beweismittel zurückgehalten worden waren. Sie lassen sich Menachem Taffel zuordnen und wurden am 6. September 2015 auf dem Jüdischen Friedhof von Strasbourg beigesetzt.
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Straße in Strasbourg
benannt nach Menachem Taffel
Stolperstein in Berlin
Rheinsberger Straße 30
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Martha Testa
Geboren im Juni 1923 in Thessaloniki (Griechenland). Nach ihrer Internierung durch die Gestapo im Ghetto Baron Hirsch in Thessaloniki wurde sie nach Auschwitz deportiert. Am 9. April 1943 kamen mit diesem Transport 2500 jüdische Frauen, Männer und Kinder dort an. An der Rampe wurden 318 Männer und 161 Frauen als Häftlinge ins Lager geschickt. Die übrigen 2021 Personen wurden in die Gaskammer getrieben und umgebracht.
Mit anderen Frauen dieses griechischen Transports kam Martha Testa in den Block 10 im Stammlager Auschwitz. Die Lager-SS ließ ihr die Nummer 40436 in den linken Unterarm tätowieren. Die Häftlingsfrauen in diesem Block wurden medizinischen Versuchen unterworfen, Martha Testa vermutlich nicht. Sie gehörte zu einer Gruppe von 29 Frauen aus diesem Block, die zusammen mit 57 Männern im Juni 1943 von den beiden Rassen-Anthropologen Bruno Beger und Hans Fleischhacker selektiert und am 30. Juli 1943 ins KZ Natzweiler-Struthof deportiert wurden. Dort wurde die 20-Jährige am 11. oder 13. August 1943 in der Gaskammer ermordet.
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Marie Urstein geb. Brandriss
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Marie Urstein geb. Brandriss
Geboren am 6. Januar 1892 in der galizischen Gemeinde Grzymałów (heute: Hrymajliw/Ukraine) als eines von sechs Kindern. Von Beruf Näherin. 1918 heiratete Marie Brandriss in Wien den knapp 13 Jahre älteren Drucker Leibusch-Leon Urstein. Im Februar 1918 wurde den beiden in Wien eine Tochter geboren und am 24. Februar 1924, ebenfalls in Wien, ein Sohn. Marie und Leibusch Urstein emigrierten 1938 nach dem "Anschluss" Österreichs an das Deutsche Reich nach Belgien. Sie wohnten von 1939 an in Antwerpen. Vergeblich bemühten sie sich 1939, zu ihrer Tochter nach London zu gelangen. Überliefert ist auch ein ergebnisloser Versuch von Marie Urstein aus dem August 1941, von Antwerpen aus nach Brasilien auszuwandern. Beide Kinder überlebten: Sohn Dennis (ursprünglich Adolf) starb 2009 in Toronto, Tochter Lily starb am 4. Februar 2017 in Stuttgart.
Marie Urstein wurde am 22. Januar 1943 in Mechelen interniert und am 19. April 1943 im selben Zug wie ihr Mann nach Auschwitz deportiert. Am 22. April 1943 kamen mit diesem 20. Transport 507 Männer, 121 Jungen, 631 Frauen und 141 Mädchen, allesamt Juden, dort an. An der Rampe schickte die SS 276 Männer und 245 Frauen als Sklavenarbeiter ins Lager, die übrigen 879 Personen wurden in die Gaskammer getrieben und umgebracht. In Auschwitz hat Marie Urstein als erlernten Beruf Schneiderin angegeben. Mit anderen Frauen des belgischen Transports kam sie in den Block 10 im Stammlager Auschwitz. Die Häftlingsfrauen in diesem Block wurden medizinischen Versuchen unterworfen, Marie Urstein vermutlich nicht. Sie gehörte zu einer Gruppe von 29 Frauen aus Block 10, die zusammen mit 57 Männern im Juni 1943 von den beiden Rassen-Anthropologen Bruno Beger und Hans Fleischhacker selektiert und am 30. Juli 1943 ins KZ Natzweiler-Struthof deportiert wurden. Dort wurde die 51-Jährige am 11. oder 13. August 1943 in der Gaskammer ermordet.
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Marie Urstein
Marie Urstein mit ihrem Mann Leibusch und ihrer fünfjährigen Tochter Lily im Jahr 1924 in Wien.
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Walter Wollinski
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Walter Wollinski
Geboren am 21. Oktober 1925 in Züllichau als jüngerer Sohn des Kaufmanns Emil Wollinski und dessen Frau Else geb. Eisack. Walter Wollinski wurde 1932 in Züllichau eingeschult. Die Familie stammt ursprünglich aus Wagrowiec (Wongrowitz) und hatte sich nach dem Ersten Weltkrieg in Züllichau (damals Brandenburg) niedergelassen, wo die Brüder Hermann und Emil ein Haus am Markt besaßen und ein Eisen- und Haushaltswarengeschäft betrieben. Die beginnende Juden-Verfolgung und daraus resultierende wirtschaftliche Probleme veranlassten die Wollinskis zum Umzug nach Berlin, wo sie in der Koblanckstraße (heute Zolastraße) lebten. Seinen Schulabschluss machte Walter Wollinski am 29. März 1940. Zur Zeit der Volkszählung von 1939 wohnte er mit seinen Eltern und seinem jüngeren Bruder Siegrfried in Berlin-Kreuzberg in der Neuenburger Straße 13.
Die Brüder Emil (* 18. Dezember 1881 in Lebus) und Hermann Wollinski (* 28. Juni 1888) hatten noch zwei Geschwister: Samuel (29. Oktober 1880) und eine Schwester namens Röschen (* 5. Dezember 1884). Samuel, der eine nichtjüdische Frau heiratete, konnte in der Brandenburgischen Stadt Zehdenick die Nazizeit überleben. Er starb 1963 in Berlin.
Hermann Wollinski, der 1920 Regina Tannchen heiratete, hatte mit ihr vier Kinder: Werner (* 17. Juli 1921), Wolfgang, Manfred und Steffi. Er starb am 8. Februar 1942 im Jüdischen Krankenhaus in Berlin an Mengitis, seine Frau Regina sowie die Kinder Wolfgang, Manfred und Steffi (damals siebzehn, elf und vier Jahre alt) wurden am 26. Februar 1943 nach Auschwitz deportiert und ermordet. Werner absolvierte in Neuendorf, einem von drei Dutzend jüdischen Hachshara-Zentren in Deutschland, von April 1936 an eine zweijährige landwirtschaftliche Ausbildung. Ihm ist es noch im August 1939 gelungen, nach Australien zu emigrieren, wo er bis zu seinem Tod im Jahr 2011 lebte. Emil und seine Frau Else wurden zusammen mit seiner Mutter am 15. August 1942 und Röschen am 5. September 1942 nach Riga deportiert und dort ermordet.
Walter und sein Bruder Siegbert (* 31. August 1920 in Wongrowitz/Posen) mussten aus der elterlichen Wohnung ausziehen. Fortan wohnten sie in einem gemeinsamen Zimmer in der Kaiserstraße 35 zur Untermiete bei Fuchs. Beide arbeiten als zwangsverpflichtete Tischler bei Fritz Müller in Mariendorf (Lankwitzerstraße 1–3). Die Brüder Wollinski wurden am 3. März 1943 nach Auschwitz deportiert. Am 4. März 1943 kamen mit diesem Transport 632 jüdische Männer und 1118 jüdische Frauen und Mädchen dort an. An der Rampe wurden 517 Männer und 200 Frauen ausgewählt und als Sklavenarbeiter ins Lager geschickt - darunter Walter Wollinski, dem die Lager-SS die Nummer 105737 auf den linken Unterarm tätowieren ließ. Die übrigen 1033 Personen wurden in die Gaskammer getrieben und umgebracht.
Walter Wollinski, der als Sklavenarbeiter bei den Buna-Werken im Außenlager Auschwitz-Monowitz verpflichtet worden war, wurde am 16. April 1943 wegen schwerem Durchfall ins Krankenrevier des Stammlagers Auschwitz überwiesen. Dort wurde er im Juni 1943 von den beiden Rassen-Anthropologen Bruno Beger und Hans Fleischhacker selektiert, am 30. Juli 1943 mit weiteren 85 jüdischen Frauen und Männern ins KZ Natzweiler-Struthof deportiert und dort am 16. oder 18. August 1943 in der Gaskammer ermordet. Er war 17 Jahre alt.
Auch Siegbert Wollinski hat die Shoah nicht überlebt.
Zusätzliche Angaben über die Schicksale der Wollinskis verdanke ich Peter Wollinski, dem Sohn von Walter Wollinskis Cousin Werner.
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Walter Wollinskis Vater und dessen Bruder betrieben in Züllichau ein Eisen- und Haushaltswarengeschäft. Hier ist Walter aufgewachsen. Das Wohn- und Geschäftshaus (oben ein Bild aus einem früheren Zeitpunkt 1899) stand am Markt. Es ist das zweite Haus von rechts. Unten eine Anzeige aus der Züllichauer Lokalzeitung.
Foto: Sammlung Peter Wollinski
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