Chronik – Aktuelles
Die Informationen auf dieser Seite gehen über mein 2004 erschienenes Buch „Die Namen der Nummern“ (deutsche Taschenbuch-Ausgabe 2007) hinaus. Hier wird fortlaufend aktualisiert, was sich seit der Buchveröffentlichung rund um dieses Thema ereignet hat und welche zusätzlichen Einzelheiten ich seither recherchiert habe. Das Aktuellste steht gleich am Anfang. Ganz am Ende geht es auch um die Motivation und die Vorrecherchen zu diesem Projekt.
2024
Frühjahr
„Das größte und wertvollste Erbe der Menschen ist das Gedächtnis. Es ist eine Investition der Ethik in die Zeit“. So schreibt der griechische Künstler Xenis Sachinis in einem Begleitwort zu seiner Ausstellung „Gedächtnis und Nemesis“ im Jüdischen Museum von Thessaloniki. Als hölzernen Gedächtnis-Schreine präsentiert er verschiedene Holocaust-Verbrechen. In einem dieser Schreine thematisiert er das Hirt’sche Verbrechen am Beispiel eines der 86 ermordeten Jüdinnen und Juden. Die Nummer 41547 verweist auf die KZ-Nummer, die der Griechin Nety Aruch aus Thessaloniki in Auschwitz in den linken Unterarm tätowiert wurde.
Bild: Mutschler
28. Januar
Vortrag in der Gedenkstätte Neckarelz, einem ehemaligen Nebenlager des KZ Natzweiler-Struthof.
2023
12. - 15. Juni
Seminar in Strasbourg. Nach getrennten intensiven Vorbereitungen von französischen Studierenden an der Université de Strasbourg und von deutschen Studierenden an der Universität Tübingen (Dozenten: Christian Bonah, Reinhard Johler, Hans-Joachim Lang, Jeanne Teboule) über Erinnerungspolitik treffen sich beide Gruppen zu einem Austausch in Strasbourg. Mit dabei sind 15 Familienangehörige der 86, die aus den USA, Israel, Frankreich und der Schweiz angereist sind. Auf dem Programm stehen Besuche im Lager Struthof-Natzweiler mit der neuen Dauerausstellung im Gaskammer-Gebäude, im Anatomischen Institut, im Jüdischen Friedhof und im Gebäude des Europäischen Parlaments.
Abschlussbild des Treffens von Tübinger und Strasbourger Studierenden mit Angehörigen der 86.
17. Juni
Drei Enkelinnen und zwei Enkel von Alice Simon machen vor ihrer Rückkehr in die USA noch einen Abstecher nach Tübingen. Im dortigen Landratsamt werden sie im vollen Saal von Wolfgang Sannwald und einigen Jugendguides befragt, wie sie und ihre Familie von dem Verbrechen an den 86 erfahren haben und wie sie damit umgehen.
30. August
In Berlin werden für zwei der 86 Ermordeten Stolpersteine verlegt. Die Organisation lag in Händen der Stolperstein-Initiative "Prenzlauer Berg". Bedacht werden Harri Bober (und weitere fünf Mitglieder seiner Familie) in der Choriner Straße 26 sowie Emil Sondheim in der Varnhagenstraße 13.
Stolpersteinverlegungen in Berlin: Varnhagenstraße 13 (links) und Chorinerstraße 26
Vorträge in Berlin (Charité), Hannover (Medizinische Hochschule), Tübingen (Anatomisches Institut), Karlsruhe (Pädagogische Hochschule), Eschwege (ehemalige Synagoge), Gießen (Institut für Medizinethik).
2022
2. Mai
Die international zusammengesetzte und unabhängig forschende Commission historique hat nach knapp sechs Jahren Arbeit ihren Abschlussbericht über die Medizinfakultät der Reichsuniversität 1941-1944 vorgelegt und offiziell an den Präsidenten der Straßburger Universität Michel Deneken übergeben. Geleitet wurde die Kommission von Florian Schmaltz (Berlin) und Paul Weindling (Oxford).
Der Bericht ist (in französischer Sprache) online nachlesbar: https://applications.unistra.fr/unistra/visionneuse/rapport-commission-historique-Reichsuniversitat-Strassburg/2/
Ende Mai
In der Deutschen Schule in Thessaloniki erscheint unter dem Titel "Die Namen der Nummern. Geschichte in Übersetzungen - Τα ονόματα των αριθμών. Μεταφράσoντας την ιστορία" ein bemerkenswertes Buch auf Deutsch und Griechisch. Es enthält die 86 Biografien dieser Website, die Schüler dieser Schüler im Neugriechisch-Unterrischt und in einer Übersetzungs-AG (die betreuenden Lehrerinnen: Maria Anthopoulou, Maria Kotidou und Christina Preftisi) aus dem Deutschen ins Griechische übersetzten. Begleitend vermittelte Michael Stier in seinem Geschichtsunterricht die historischen Hintergründe dieses Verbrechens. Der Kunstlehrer der Deutschen Schule Lefteris Raftis hat die 150 Seiten ansprechend gestaltet. Aus Thessaloniki stammen 46 der 86 jüdischen Männer und Frauen.
2018
4. Dezember
"Die Namen der Nummern" erscheint als erweiterte Neuausgabe auf Französisch. Titel: "Des noms derrière des numéros. L'identification des 86 victimes d'un crime nazi. Une enquête." Johann Chapoutot, Professor an der Université Paris-Sorbonne, hat dazu ein Vorwort verfasst und Georges Yoram Federman, Psychiater aus Strasbourg, ein Nachwort. Die Übersetzung besorgte Valentine Meunier. Erschienen ist der Band im Verlag Presses Universitaires De Strasbourg
11. Oktober
Vortrag vor Erstsemestern der Medizinischen Hochschule Hannover.
15. Mai
Zu Besuch in der Deutschen Schule in Thessaloniki. Vortrag vor den Schülerinnen und Schülern in Anwesenheit des Deutschen Generalkonsuls, der ein Grußwort sprach.
Schülerinnen und Schüler der Deutschen Schule in Thessaloniki. Bild:
15. April
Nach den Osterferien begannen die Deutschen Schulen in Den Haag, Oslo, Thessaloniki und Warschau die Biographien der 86 Opfer des auf dieser Website beschriebenen "Ahnenerbe"-Verbrechens auf Niederländisch, Norwegisch, Griechisch und Polnisch zu übersetzen. Sie folgen damit einer Anregung des Freiburger Lehrer-Ehepaars Magali und Frank Hack, die am Deutsch-Französischen Gymnasium in Freiburg mit einer Gruppe von Schülerinnen und Schülern das Übersetzungsprojekt mit Französisch begannen und dafür in Paris mit dem Prix Corrin ausgezeichnet wurden.
14. März
Vortrag in Lüneburg auf Einladung der Gynäkologinnen und Gynäkologen im Bezirk Lüneburg im Rahmen einer Fortbildungsveranstaltung.
28. Februar
Vortrag in Oświęcim auf Einladung des Museums Auschwitz-Birkenau im Rahmen einer Fortbildung für Guides an der Gedenkstätte.
26. Januar
Vortrag in der Ernst-Abbe-Bücherei Jena auf Einladung der Stadt Jena und des Vereins Lesezeichen.
25. Januar
Verleihung des Prix Corrin in Paris an Schülerinnen und Schüler des Freiburger Deutsch-Französischen Gymnasiums für ihr Übersetzungsprojekt. Unter der Leitung ihrer Lehrer Magali und Frank Hack übersetzten sie die 86 Biographien dieser Website ins Französische. Gratulation und großen Dank!
Siehe dazu auch:
2017
21. November
Nach über 47 Jahren erstmals wieder im Friedrich-Magnus-Schwerd-Gymnasium Speyer, meiner ehemaligen Schule. Als Gast der Reihe "Vorträge zu Wissenschaft und Zeitgeschehen" sprach ich im Foyer zum Thema "Morde für eine Skelettsammlung. Ein NS-Wissenschaftsverbrechen und seine Opfer". (Bild: FMGS)
20. November
Vortrag vor vier zehnten Klassen der Realschule im Bildungszentrum Bonndorf im Südschwarzwald. Eingeladen hatte der Geschichtslehrer Klaus Morath. Er und Leon Stoll, ein ehemaliger Schüler dieser Schule, zeigten mir nachmittags nach dem Unterricht die Orte, an denen sich August Hirt zuletzt aufgehalten hatte. Der Anatomie-Professor war Mitte April 1945 aus Tübingen in Richtung Schwarzwald geflüchtet und hatte in der Nähe des Schluchsees zunächst einen Unterschlupf in einer Waldhütte ("Tiroler Hütte") gefunden. Diese Hütte existiert heute nicht mehr. Von dort aus marschierte er jeden Morgen zu einem im Wald gelegenen Aussiedlerhof, um dort im Radio die Nachrichten zu hören. Am 2. Juni 1945 tötete sich Hirt durch einen Schuss ins Herz. Und zwar in unmittelbarer Nähe des "Steinernen Krizles" oberhalb des Sees (rechts, Bild: Lang). Begraben wurde Hirt auf dem Friedhof der Gemeinde Grafenhausen.
12. Oktober
Vortrag vor Erstsemestern der Medizinischen Hochschule Hannover.
11. Oktober
Einladung des Bezirksverbands Pfalz zu einem Vortrag über die 86 "Ahnenerbe"-Opfer in Strasbourg. Der Vortrag steht im Rahmen einer einwöchigen Jugendgedenkfahrt Pfälzer Jugendlicher. Besondere Note: Es ist eine Gemeinschaftsveranstaltung mit Schülerinnen und Schülern der Ecole Européenne de Strasbourg in deren Aula. Nachmittags ein gemeinsamer Besuch am Grab der 86 auf dem Jüdischen Friedhof in Strasbourg-Cronenbourg.
17. Mai
Vortrag im - tief Luft holen - Rabb Institute for Holocaust Studies am Department of Sociology and Anthropology der Ben Gurion University of the Negev (Israel). Seit Neuestem kooperiert dieses Institut mit dem - nochmals tief Luft holen - Ludwig-Uhland-Institut für Empirische Kulturwissenschaft an der Eberhard-Karls-Universität Tübingen. Der Vortrag begann mit einem Rückblick auf das Leben von Frank Sachnowitz, einem der im KZ Struthof Natzweiler ermordeten 86 Juden. Zu meiner großen Freude ist eigens zu diesem Vortrag der in Israel lebende Neffe von Frank Sachnowitz, Jechiel Porat, angereist.
11. Mai
Für meine Bücher "Die Namen der Nummern" und "Die Frauen von Block 10. Medizinische Experimente in Auschwitz" wird mir der Forschungspreis "Champions Award 2017" des Center for Medicine after the Holocaust (CMATH) verliehen. Äußerer Rahmen ist der Second International Scholars Workshop “Medicine in the Holocaust and Beyond”. 140 Wissenschaftler/innen aus 17 Ländern nehmen an der viertägigen Konferenz teil, die am Western Gallilee College stattfindet.
27. April
Ein Vortrag im Deutsch-Französischen Gymnasium in Freiburg steht am Beginn eines engagierten Übersetzungsprojekts . Schülerinnen und Schüler übersetzen biographische Texte dieser Website über die 86 "Ahnenerbe"-Opfer ins Französische. Angeleitet werden sie von ihren Lehrern Magali und Frank Hack.
Klasse 2nde ES (10. Klasse, Wirtschaftszweig) des Deutsch-Französischen Gymnasiums in Freiburg. Bild: Hack
2016
11. März
Die französische Tageszeitung "Le Monde" weist auf den Film "Le nom des 86" hin und geht auf die zugrundeliegenden Recherchen ein.
März
Die tschechische Übersetzung von "Die Namen der Nummern. Wie es gelang die 86 Opfer eines NS-Verbrechens zu identifizieren" erscheint unter dem Titel "Jména čísel - Jak se podařilo identifikovat 86 obětí jednoho nacistického zločinu"
24. Februar
Nach langen Planungen, intensiven Vorbereitungen, mit professioneller graphischer Gestaltung durch Christiane Hemmerich (Tübingen) und dank finanzieller Unterstützung durch die Hamburger Reemtsma-Stiftung geht der erste "Bauabschnitt" dieser Website online.
Vortrag in Tübingen (Leibniz-Kolleg).
2015
6. September
Beerdigung: Die im Institut für Rechtsmedizin der Universität Straßburg gefundenen forensischen Proben, die Menachem Taffel zuzuordnen sind, wurden – ohne damit die lebhaften Diskussionen in den vergangenen Wochen zu beenden – am späten Vormittag auf dem Jüdischen Friedhof in Strasbourg nach einer Trauerfeier beigesetzt. Mehrere hundert Personen haben teilgenommen, darunter der Oberbürgermeister von Strasbourg und der Präsident der Universität.
Jüdischer Friedhof in Strasbourg, Bild: Lang
9. Juli
Aufsehen ererregende Entdeckung. Raphael Toledano prüft zusammen mit dem Leiter des Instituts für Rechtsmedizin (Institut de Médecine Légale) an der Universität Straßburg, Prof. Jean-Sébastien Raul, historische forensische Proben in einem abgeschlossenen Raum des Instituts und macht einen Fund, über den weltweit in den Medien berichtet wird. Es handelt sich um drei kleine Glasgefäße, in denen winzige Speisereste aus einem menschlichen Magen und fünf Hautstückchen aufbewahrt wurden, die Menachem Taffel zugeordnet werden können, einem der 86 „Ahnenerbe“-Opfer. Diese Proben stammen von den Autopsien, die von französischen Gerichtsmedizinern nach der Entdeckung der Leichen vorgenommen wurden. Einer von ihnen, Prof. Camille Simonin, hatte sie in seinem Institut behalten und 1952 einem französischen Militärgericht als Beweismittel angeboten. Danach waren sie offenbar in Vergessenheit geraten, bis Toledano 2013 in einem französischen Archiv das Schreiben Simonins entdeckte. Rauls Vorgänger hatte die Überprüfung verweigert, die nun zu dem sensationellen Fund führte. Toledano sagte konsterniert: „Was Simonin von Hirts Opfern aufbewahrt hat, ist genau dort gelandet, wo Hirt sie in seinem Rassenwahn haben wollte: im Museum."
21. Mai
Besuch am Grab. Debbie Konkol, Joanne Weinberg und Chris Halverson besuchen mit ihren Ehemännern das Grab ihrer Großmutter Alice Simon. Am Grabstein legen sie Steine nieder, die sie aus den USA mitgebracht haben: Drei Steine in ihrem eigenen Namen, zwei weitere für ihre Geschwister Betsy Kelnhofer und John Simon, sowie für die beiden anderen Enkel von Alice Simon, nämlich Peter Andersen und Kris Andersen.
Mitglieder der Familie Simon auf dem Jüdischen Friedhof in Strasbourg.
20. Mai
Angehörige in Tübingen. „Den Holocaust erinnern“ ist eine Gesprächsrunde im Rittersaal von Schloss Hohentübingen überschrieben, die von der Journalistin Ulrike Pfeil moderiert wird. Drei aus den USA angereiste Enkelinnen von Alice Simon (eines der 86 „Ahnenerbe“-Mordopfer) sprechen mit Hans-Joachim Lang darüber, wie gegenwärtig in ihren Familien der Holocaust geblieben ist. Die Enkelinnen sind Chris Halverson, Joanne Weinberg und Debbie Konkol. Veranstalter ist das Museum der Universität Tübingen (MUT).
Gesprächsrunde im Rittersaal von Schloss Hohentübingen in Tübingen. Von links nach rechts: Chris Halverson, Joanne Weinberg, Ulrike Pfeil (Moderatorin), Debbie Konkol, Hans-Joachim Lang.
29. April
Kino Museum in Tübingen, Deutsche Erstaufführung des Dokumentarfilms „Le nom des 86“ (mit deutschen Untertiteln) in Anwesenheit der beiden Filmemacher.
Dr. Raphael Toledano (rechts) und Emmanuel Heyd im Tübinger Kino Museum.
27. April
Staatsbesuch. Auf dem Gelände des früheren Konzentrationslager Natzweiler-Struthof gedenkt Frankreichs Staatspräsident François Hollande (Mitte) mit führenden Europapolitikern der NS-Opfer gedacht. Zuvor enthüllten sie neben der ehemaligen Gaskammer zwei Gedenksteine. Der rechte Stein nennt die 86 Namen der hier ermordeten Jüdinnen und Juden. An der Zeremonie beteiligen sich auch (rechts neben Hollande): EU-Ratspräsident Donald Tusk, die lettische Regierungschefin Laimdota Straujuma (ihr Land hat zu diesem Zeitpunkt den EU-Ratsvorsitz inne), der Präsident des EU-Parlaments, Martin Schulz und der Generalsekretär des Europarates, Thorbjørn Jagland.
Enthüllung der Gedenksteine neben der Gaskammer des KZ Natzweiler-Struthof. In der Mitte der Französische Staatspräsident François Hollande. Bild: Lang
23. April
Eröffnung der Ausstellung „In Fleischhackers Händen“ im Schloss Hohentübingen (bis 28. Juni). Hans Fleischhacker war einer der beiden Anthropologen, die im Auftrag der SS-Wissenschaftsorganisation „Ahnenerbe“ im Juni 1943 in Auschwitz unter den Häftlingen Jüdinnen und Juden für eine Skelettsammlung selektierten, die an der Reichsuniversität Straßburg entstehen sollte. Fleischhacker hatte am 8. Juni an der Medizinischen Fakultät der Universität Tübingen noch seine Probevorlesung gehalten und damit die Habilitationsprüfung erfolgreich abgeschlossen. Am Tag darauf reiste er nach Auschwitz.
Aufsatz: Fleischhackers (un)vergessene Opfer. In: Jens Kolata u.a. (Hg.): In Fleischhackers Händen. Wissenschaft, Politik und das 20. Jahrhundert. Ausstellungskatalog. Tübingen 2015, S. 185-199.
Vorträge in Berlin (Inselgalerie), Konstanz (Volkshochschule), Wangen/Höri (Freundeskreis Jacob Picard), Tübingen (Universität: Studium Generale), Tübingen (Universität: Internationale Programme), Tübingen (Carlo-Schmid-Gymnasium) .
2014
1. Dezember
Cinéma L'Odyssée in Strasbourg, Premiere des Dokumentarfilms „Le nom des 86“ der beiden französischen Filmemacher Dr. Raphael Toledano und Emmanuel Heyd.
Filmpremiere im Cinéma L’Odysée am 1. Dezember 2014, Bild: Truong-Ngoc
Vorträge in Flensburg (Volkshochschule), Göppingen (Jüdisches Museum), Dudenhofen/Pfalz (Bürgerhaus), Prag (Heinrich-Böll-Stiftung), Thessaloniki (Goethe-Institut), Ofterdingen (Bücherei), Tübingen (Universität: Internationale Programme), Tailfingen (KZ-Gedenkstätte).
2013
Aufsatz in den „Annals of Anatomy“, 195 (2013) 373-380. Titel: August Hirt and “extraordinary opportunities for cadaver delivery” to anatomical institutes in National Socialism: A murderous change in paradigm.
Vorträge in Groß Gerau (Volkshochschule + Arbeit und Leben), Köln (Ärztekongress), Aachen (Institut für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin).
2012
Vorträge in Berlin (Konrad-Adenauer-Stiftung), Hannover (Anatomisches Institut), Tübingen (Ludwig-Uhland-Institut).
2011
Oktober
Erstveröffentlichung von „Die Frauen in Block 10. Medizinische Versuche in Auschwitz.“ Hoffmann und Campe, Hamburg. Das Buch ist eine Fortschreibung von „Die Namen der Nummern“. Denn alle 29 Frauen, die im KZ Natzweiler im Auftrag des „Ahnenerbe“ ermordet wurden, haben die Anthropologen Bruno Beger und Hans Fleischhacker in Block 10 ausgewählt. Darum wurde in diesem Buch vertieft, was es mit diesem Block auf sich hatte.
Vorträge und Lesungen: Berlin (Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas), München (Anatomisches Institut der Universität), Tübingen (Osiandersche Buchhandlung).
2010
Spiegel online: „Die Spur der Skelette“
http://www.spiegel.de/einestages/ns-verbrechen-a-950002.html
Vortrag in Würzburg (Anatomisches Institut der Universität).
2008
18. Oktober
Die Medizinische Fakultät der Tübinger Universität verleiht die Leonhart-Fuchs-Medaille für „Verdienste um die Aufarbeitung des Nationalsozialismus, für die Geschichtsschreibung aus der Perspektive der Opfer und insbesondere für das Buch ‚Die Namen der Nummern‘“.
2007
April
„Die Namen der Nummern” erscheint als Taschenbuchausgabe in der Schwarzen Reihe des Fischer-Verlags, Frankfurt/Main.
Mai
Die polnische Übersetzung von "Die Namen der Nummern" erscheint im Verlag Wołoszański, Warschau, unter dem Titel: „Nazwiska numerów”.
Lesungen und Vorträge in Isney (Refektorium im Schloss), Thessaloniki (Goethe-Institut, gemeinsam mit der Jüdischen Gemeinde), Berlin (Leibniz-Gymnasium), Łódź (Muzeum Kinematografii).
2006
Lesungen und Vorträge in Karlsruhe (Ständehaussaal), Osthofen (KZ-Gedenkstätte), Heidelberg (Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sintu und Roma), Stuttgart (Mädchen-Gymnasium St. Agnes), Paris (Mémorial de la Shoah), Krakau (Zentrum für Jüdische Kultur), Auschwitz (Jugendbegegnungsstätte), Sindelfingen (Gymnasium in den Pfarrwiesen).
2005
Juli
Hans-Joachim Lang vor der Gedenktafel unmittelbar neben der Gaskammer, Bild: Truong-Ngoc
Vor der der Gaskammer des ehemaligen KZ Natzweiler-Struthof wird eine Gedenktafel mit den Namen der 86 Opfer angebracht.
11. Dezember
Grabstein auf dem Jüdischen Friedhof in Strasbourg mit den 86 Namen. Bild: Lang
Auf dem Jüdischen Friedhof in Straßburg befindet sich ein Massengrab, auf dem die 86 „Ahnenerbe“-Opfer in einem Massengrab beigesetzt sind. Hier stand bislang ein Grabstein, in dem nur allgemein an das Verbrechen erinnert wurde. In einer feierlichen Zeremonie wird am späten Vormittag ein Grabstein enthüllt, auf dem alle 86 Namen eingraviert sind. Zahlreiche Verwandte aus Belgien, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Israel und Österreich sind gekommen, aus Griechenland auch ein Repräsentant der Jüdischen Gemeinde von Thessaloniki. Zugegen sind auch der Präsident des Dachverbands der jüdischen Organisationen Frankreichs sowie führende französische Regional- und Kommunalpolitiker.
Zeremonie auf dem Jüdischen Friedhof in Strasbourg. Bild: Lang
Zuvor wird am Eingang des alten Anatomischen Instituts der Universität Strasbourg eine Gedenktafel enthüllt, die an das Verbrechen des Prof. August Hirt und seiner Helfer erinnert.
Vor der Enthüllung der Gedenktafel: Hans-Joachim Lang (links mit Hut) im Gespräch mit Beate Klarsfeld und Jean Kahn. Bild: Jechiel Porat
Aus Rezensionen:
Urban Wiesing zählt die Morde an den 86 jüdischen Frauen und Männer zu den “schrecklichsten Verbrechen nationalsozialistischer Ärzte”. Wiesing ist Professor für Medizin-Ethik an der Universität Tübingen. In der „Zeitschrift für medizinische Ethik” (61. Jahrgang, Ausgabe 3/2005) schrieb er: „Dieses Buch ist außergewöhnlich. (…) Der Autor ist Journalist in Tübingen. In jahrelangen, umfangreichen Recherchen ist es ihm gelungen, den Opfern die Namenlosigkeit zu nehmen. Das Buch berichtet von der akribischen, zuweilen detektivischen Spurensuche, von den glücklichen Zufällen der Überlieferung, von Unterstützung, von Rückschlägen und Schwierigkeiten, von den entscheidenden Funden. Es beschreibt Menschen, ihre Geschichten, ihr Leben mit ihren Familien, mit all den Freuden, Leiden und Unwägbarkeiten. Es berichtet von ihrer Deportation nach Auschwitz, ihrer „Vermessung“, ihrer weiteren Verschleppung ins KZ Natzweiler-Struthof und ihrer Ermordung. Allen Lebensläufen ist eines gemein: Sie enden nach weiten Wegen durch Europa als leblose Körper in der Straßburger Anatomie, weil Ärzte und Anthropologen aus pseudowissenschaftlichem, von Rassenwahn entstelltem Interesse eine Sammlung jüdischer Skelette anlegen wollten, der Nachwelt zur Dokumentation. Das Buch gibt Einblick in den Organisationsablauf und die Bürokratie einer Medizin, die sich in ihrer vermeintlichen Wissenschaftlichkeit zu perfidem Mord befugt glaubt. Es vermittelt dem Leser das Selbstverständnis von Ärzten, die an ihrem Tun nicht zweifelten – auch nicht nach dem Kriege.“
Imanuel Geiss, Professor für Neuere Geschichte in Bremen, im Jahrbuch „Extremismus & Demokratie“ (17. Jahrgang 2005): „(…) In einer makabren Puzzle-Anstrengung fügte der gelernte Germanist und Journalist unzählige über den Globus verstreute Einzelteile zu dem Bild zusammen, das er in seinem Buch entwirft. Sein Material fand er mit detektivischem Spürsinn auf einer Schnitzeljagd des Todes in Archiven, durch Befragung von Angehörigen der Opfer, die er scharfsinnig ausfindig machte, zuletzt auch aus dem Internet. Allein schon die Beschreibung dieses Findungsprozesses lohnt die Lektüre des Buches. (…)
Schritt für Schritt machte Lang aus toten Nummern wieder Namen, teilweise mit Gesichtern (Photos) und Kenntnis ihres vergangenen individuellen Lebens. (…) Das Buch verschiebt das bisherige Hauptaugenmerk von den Tätern auf die nun nicht mehr anonymen Opfer. (…). Lebens- und Todeswege der 86 summieren sich zu einem bewegenden Stück europäischer Geschichte, vor allem natürlich der europäischen Judenheit.“
Lesungen und Vorträge in Heidelberg (Reichspräsident-Friedrich-Ebert-Gedenkstätte), Berlin (Frida-Leider-Zentrum), Tübingen (Edith-Stein-Karmel), Strasbourg (Universität), Freiburg (Buchhandlung Jos Fritz).
2004
August
Erstveröffentlichung von „Die Namen der Nummern. Wie es gelang, die 86 Opfer eines NS-Verbrechens zu identifizieren“ im Verlag Hoffmann und Campe, Hamburg.
Juni
Das noch unveröffentlichte Buch-Manuskript „Die Namen der Nummern” wird im Rathaus von Brüssel mit dem Preis der Fondation Auschwitz ausgezeichnet.
14. Dezember
Aus einem Interview mit mir in der "tageszeitung“.
taz: Was trieb Sie all die Zeit an – es waren immerhin ja gut fünf Jahre?
Lang: Es war die Frage: Was können das für Leute gewesen sein, die dort umgebracht wurden? Wo kamen sie her? Zunächst dachte ich noch, ich könnte die Namen schnell in einem Archiv finden, aber in den Akten war kein einziger Hinweis darauf. Als mir ein Auschwitz-Überlebender schließlich sagte, dass man sie wahrscheinlich nicht mehr herausfinden könne, wollte ich unbedingt weiterforschen.
taz: Weshalb war es Ihnen so wichtig? Weil es nicht sein kann oder darf, dass die Opfer anonym bleiben?
Lang: Sein kann, ja. Angesichts von sechs Millionen ermordeten Juden kann man sich irgendwie mit Anonymität abfinden, die Zahl ist so gewaltig groß. Aber bei diesem Verbrechen schien die Zahl - 86 - überschaubar, zumal ich die Abläufe ja schon einigermaßen rekonstruiert hatte. Als ich dann auf die Zeugenaussage des Henry Henrypierre stieß, der sich damals die Nummern der Opfer notiert hatte, ließ mich dies nicht mehr ruhen. Diese Notizen müssen doch irgendwo sein, dachte ich, undenkbar, dass sie weggeworfen wurden! Das Original habe ich trotzdem nicht gefunden, aber die Kopie einer Abschrift - nach zwei Jahren Recherche. Dieser Moment war eigentlich das erste große Erlebnis. Vollends beflügelt hat mich, als ich sehr viel später dann zum ersten Mal Angehörige getroffen habe. Da wollte ich es unbedingt zu Ende bringen. (...)
Das komplette Interview hier: http://www.taz.de/1/archiv/?dig=2004/12/18/a0349
Rezensionen
- Khosrow Nosratian am 6. Dezember im Deutschlandfunk: „(…) Das überaus lesenswerte Buch verdeutlicht das engmaschige Netz aus Gelehrtenstube und Gestapozentrale, aus dem das Räderwerk des Holocaust entwickelt wurde. Und doch gelingt es dem zeitgeschichtlich versierten Autor stets, im Gegenzug zum gruseligen "Ahnenerbe" seine eigene forschungspolitische Absicht überzeugend zum Ausdruck zu bringen – die Ermordeten in lebendiger Erinnerung zu halte.“
- Bernd Hesslein am 14. Oktober 2004 in „Die Zeit“: „(…) Ein mühsames Unterfangen, oftmals an der Schwelle des Scheiterns. (…) Am Ende jedoch, nach fünf Jahren Reisen und mühseligen Recherchen, passen Nummern und Namen der Ermordeten zusammen. Das grausige Puzzle ist vollendet, die Lücke der Namenlosigkeit, wie Hans-Joachim Lang es nennt, geschlossen. Darüber hinaus liefert der Autor mit seiner Arbeit einen tiefenscharfen Einblick in die Perversion des "Denkens", das die Mediziner unter dem Totenkopf beherrschte.“
- Anselm Doering-Manteuffel, Professor für Zeitgeschichte, schrieb am 30. September 2004 im „Schwäbischen Tagblatt“ unter dem Titel: “Inhaltsleere Gedenkrituale sind ihm zutiefst suspekt“ in eine ausführlichen Buchrezension: „Was Hans-Joachim Lang vor einigen Jahren im TAGBLATT über Salomon Korn schrieb, gilt ebenso für ihn selbst. Ohne je in einen pauschal anklagenden, bloß moralisierenden Ton zu verfallen, schreibt er kontinuierlich über die Leidensgeschichte der Juden im nationalsozialistischen Deutschland. (…) Lang recherchiert gründlich und präsentiert detailgenaue Ergebnisse. (…) In jahrelanger detektivischer Arbeit ist es Lang gelungen, die Namen ausfindig zu machen, Angehörige aufzuspüren, sie über das Schicksal der Toten zu informieren und sich zugleich ein Bild von den Ermordeten zu machen. (…) ,Die Täter sollen nicht das letzte Wort gehabt haben‘, schreibt er am Ende. Darum sei es erforderlich, sich der Ermordeten zu erinnern, ihre Namen zu suchen, sie im Gedächtnis zu bewahren und so einen Teil der deutschen und europäischen Vergangenheit wiederzufinden. Ein bewegendes Buch.“
- Hans-Joachim Lang am 19. August 2004 Hintergrund-Seite zum Thema "Skelette für Straßburg" in der "Zeit".
Siehe: http://www.zeit.de/2004/35/A-Strassburg
Lesungen in Brüssel (Fondation Auschwitz), Tübingen (Buchhandlung Gastl), Frankfurt (Fritz-Bauer-Institut).
2003
21. September
Vortrag in Strasbourg bei einem Kolloquium des Cercle Taffel über den Stand der Recherchen. Am Ende des Vortrags erstmalige öffentliche Verlesung der Namen der 86 jüdischen Frauen und Männer, die Opfer des „Ahnenerbe“-Verbrechens wurden. In ehrendem Gedenken erheben sich die Zuhörerinnen und Zuhörer von ihren Plätzen.
1999 – 2003
Besuch weiterer Archive, unter anderem in Oświęcim (Archiv der Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau) und Jerusalem (Archiv der Gedenkstätte Yad Vashem), umfangreiche Korrespondenz mit lokalen Archiven und Behörden in Belgien, Deutschland, Frankreich, Griechenland, Niederlande, Österreich und Polen sowie Beginn der Korrespondenz und Begegnungen mit Familienangehörigen der 86 „Ahnenerbe“-Opfer.
1999
Nach langer Suche gelingt am 4. März der erste wichtige Schritt auf der Suche nach den Identitäten der 86 „Ahnenerbe“-Opfer: Entdeckung einer Kopie des gesuchten Dokuments, auf dem die 86 KZ-Nummern notiert sind, im United States Holocaust Museum in Washington. Es ist eine Abschrift der französischen Militärpolizei von der Liste, die Henri Henrypierre für die Zeit nach der Befreiung Straßburgs gerettet hat. Mit dieser Nummern-Liste lassen sich dank überlieferter Dokumente des KZ Auschwitz zunächst die Orte ermitteln, woher die 86 Männer und Frauen nach Auschwitz deportiert wurden: Oslo (N), Białystok (PL), Oranczyce (PL), Berlin (D), Thessaloniki (GR), Trier (D), Drancy (F), Mechelen (B), Westerbork (NL). Im nächsten Schritt und mit Hilfe eines Dokuments der Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau werden aus den Nummern Namen. Aber noch keine Biografien.
1998
Die Täterseite meines Forschungsprojekts über die „Ahnenerbe“-Morde an den 86 Juden ist vorläufig abgeschlossen. Dazu erscheinen zwei Aufsätze: Einer in der Wochenendbeilage der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ vom 21. März 1998 („Nicht alles ging nach Plan. Der SS-Anatom August Hirt: sein mörderisches Wirken, sein Verschwinden und sein Verbleib.“) und ein weiterer in der Regionalgeschichtszeitschrift „Land zwischen Hochrhein und Südschwarzwald“ (Titel: „Grab Nr. 27, Grafenhausen, August Hirt. Über die Verbrechen und das Lebensende eines weltweit gesuchten Anatatomieprofessors.“)
1997 – 1998
Beginn der intensivierten Suche nach den Namen der 86 „Ahnenerbe“-Opfer. Erster Anhaltspunkt ist ein Brief, den SS-„Ahnenerbe“-Geschäftsführer Wolfram Sievers am 21. Juni 1943 an Adolf Eichmann schickte. Unter dem Betreff „Aufbau einer Sammlung von Skeletten“ teilte er mit, dass die anthropologischen Arbeiten abgeschlossen seien und die in Frage kommenden Häftlinge nach Männern und Frauen getrennt „in je einem Krankenbau des KL Auschwitz untergebracht“ seien. Weiter heißt es: „Ein namentliches Verzeichnis der ausgesuchten Personen ist beigefügt.“
Die Suche nach dieser Liste, unter anderem auch in den National Archives in Washington, bleibt ergebnislos. Laut Vermerk auf dem Schreiben war der Brief fünf Mal ausgefertigt worden. Die im Nürnberger Ärzteprozess vorgelegte und jetzt der Forschung zugängliche Fassung ist eine nachrichtlich ohne Anlage an Rudolf Brandt (Persönlicher Referent von SS-Führer Heinrich Himmler) geschickte Durchschrift. Die Überlieferung aus Eichmanns Referat im Reichssicherheitshauptamt fehlt völlig.
Von nun an konzentrierte sich die weitere Suche auf eine Aussage von Henri Henrypierre vor dem Nürnberger Ärzteprozess. Henrypierre, ein Mitarbeiter von August Hirt am Anatomischen Institut der Reichsuniversität Straßburg, hatte im August 1943 die vom KZ Natzweiler-Struthof gebrachten 86 Leichen entgegengenommen. An deren Unterarmen waren ihm merkwürdige Zahlen aufgefallen, die er daraufhin nicht nur ins Leichenbuch des Instituts eintrug, sondern auch noch heimlich auf einen Zettel notierte, den er in der Wohnung seiner Lebensgefährtin versteckte.
Probleme bereiten mir die französischen Archivgesetze. Ein beim französischen Verteidigungsministerium eingereichter Antrag auf Verkürzung der Sperrfrist auf Dokumente der Militärjustiz wird abgelehnt – trotz Empfehlungen durch die deutsche Justizministerin Herta Däubler-Gmelin und den französischen Holocaust-Forscher Serge Klarsfeld, den ich eigens in Paris besuche.
1996
14. Januar
Hermann Langbein erfährt von mir in einem Brief als erster meinen Entschluss „neben meinen Forschungen noch (so weit es geht) die Lebensschicksale dieser 86 Leute aufzuklären“.
1994 – 1995
Recherchen in den Bundesarchiven Bern und Berlin sowie im Hauptstaatsarchiv Wiesbaden, im Generallandesarchiv Karlsruhe und im Staatsarchiv Nürnberg. Ein Zwischenergebnis als Hintergrund-Seite im „Schwäbischen Tagblatt“ vom 8. Juli 1995: „Alle Welt suchte den Anatomie-Professor. Wie sich der SS-Mediziner August Hirt hier und anderswo der Verantwortung entzog.“ Briefwechsel mit Renate Hirt, der Tochter des Anatomie-Professors. Korrespondenz mit Hermann Langbein, dem damaligen Sekretär des „Comité International des Camps“, über Forschungsprobleme.
1993
Vergebliche Versuche, überregionale Tages- und Wochenzeitungen für einen Beitrag zum Jahrestag zu erinnern: Im August waren es 50 Jahre her, dass die 86 jüdischen Frauen und Männer ermordet wurden.
1992
In keinen der damals gängigen Monographien über den Nationalsozialismus war damals etwas über die Todesumstände und den Todesort von August Hirt zu erfahren, auch nichts darüber, wo sich sein Grab befindet. Recherchen im Schweizerischen Bundesarchiv in Bern und im Deutschen Bundesarchiv in Berlin, dem Landesarchiv Ludwigsburg und in August Hirts letztem Aufenthaltsort Schönenbach im Schwarzwald brachten endlich Klarheit.
1984/1985
Die anhaltende Diskussion um die Tübinger Anthropologin Sophie Ehrhardt führt zu eigenen Forschungen und Veröffentlichungen über die Geschichte des Fachs. Dabei werde ich auf den Anatomie-Professor August Hirt aufmerksam. Hirt hatte im November 1944 nach einer Dienstreise nicht mehr in sein Institut zurückkehren können, weil Straßburg inzwischen von den Alliierten besetzt worden war. Er fand eine Bleibe in Tübingen, wohin die Verwaltung und zahlreiche Institute der Reichsuniversität ausgelagert worden waren. Aus meinen Recherchen dazu entsteht mein erster Aufsatz zu einem beginnenden Lebensthema: „SS-Wissenschaftler ließen 86 KZ-Häftlinge ermorden: Für den Aufbau einer Skelettsammlung. Dunkle Querverbindungen zum ,Tübinger Anatomenlager‘. (Hintergrund-Seite in „Schwäbisches Tagblatt“ vom 21. Dezember 1985)
1981
23. September
Teilnahme als Journalist an der 17. Tagung der Deutschen Gesellschaft für Anthropologie und Humangenetik in Göttingen. Dort werden die aus dem In- und Ausland angereisten Wissenschaftler mit dem nationalsozialistischen Erbe der Anthropologie konfrontiert. Forderungen stehen im Raum, die Tübinger Anthropologin Prof. Sophie Ehrhardt aus der Gesellschaft auszuschließen.
Dass Ehrhardt, die in der Zeit des Nationalsozialismus in verschiedenen Positionen als Rassenforscherin aktiv war, 1980 mit alten Akten dieser Behörde, die sie teils selbst erstellt hatte, im Tübinger Universitätsarchiv forschte, hatte eine Gruppe von Sinti zu einem spektakulären Sit-in veranlasst.
Die Aktion bewirkte, dass vielerorts über Rassenforschung und das Schicksal deutscher Sinti und Roma diskutiert wurde. Meiner ersten Hintergrund-Seite über Geschichte und Gegenwart der Anthropologie am 3. Oktober 1981 im „Schwäbischen Tagblatt“ folgt eine intensive eigene Beschäftigung mit diesem Thema.
2. – 9. September
Auf die erstmalige offizielle Einladung durch die Stadt Tübingen kommen jüdische Emigranten in ihre alte Heimatstadt. Auf dem einwöchigen Besuchsprogramm stehen ein städtischer Empfang im Rathaus mit dem Literaturwissenschaftler (und rückgekehrter Emigrant) Hans Mayer sowie Diskussionsveranstaltungen und Ausflüge in die nähere Umgebung. Als Journalist habe ich viele Gelegenheiten, mit den aus Großbritannien, Israel, Portugal, Südafrika, USA angereisten Ex-Tübingern ins Gespräch zu kommen. Die emotional bewegenden und geistig anregenden Begegnungen geben mir Anstoß, nicht nur die die Stadt Tübingen, sondern insgesamt die Geschichte des Nationalsozialismus auch aus der Perspektive der Opfer kennenlernen zu wollen.